31.10.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2015

Fristlose Kündigung bei „Raubkopien“

BAG, Urteil vom 16.7.2015 – 2 AZR 85/15

Nutzt ein Arbeitnehmer seinen Dienst-PC privat, indem er z. B. Audio- oder Videodateien auf dienstliche DVD- und CD-Rohlinge kopiert, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Der Kläger war beim OLG Naumburg als IT-Verantwortlicher seit 1992 beschäftigt. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs. Im März 2013 fand eine Geschäftsprüfung statt. Im Zuge dessen wurden die vom Kläger benutzten Festplatten untersucht und ausgewertet. Dabei wurden mehr als 6.400 „Raubkopien“ (ebook-, Bild-, Audio- und Videodateien) vorgefunden. Ferner fand man auf dem vom Kläger genutzten Rechner ein installiertes Programm, um den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Das beklagte Land kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos.

Das Arbeitsgericht Halle und das Landesarbeitsgericht Sachsen- Anhalt gaben der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Das LAG Sachsen-Anhalt war der Ansicht, dass nicht mit Sicherheit festgestanden habe, welchen konkreten Tatbeitrag der Kläger bei den unstreitig in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet hat. Ferner wurden die Strafverfolgungsbehörden bei der Sachverhaltsaufklärung nicht eingeschaltet, wodurch nach Ansicht des LAG Sachsen-Anhalt eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts nicht ermöglicht worden sei.

Konkreter Tatbeitrag unerheblich

Das BAG hat das Berufungsurteil des LAG Sachsen-Anhalt aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG Sachsen-Anhalt zurückverwiesen. Nach Ansicht des BAG komme eine (fristlose) Kündigung auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit anderem Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht habe. Aus der möglichen Erlaubnis, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, habe er nicht schließen können, ihm seien die Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Eigene Ermittlungen des Unternehmens zulässig

Darüber hinaus hat das BAG darauf hingewiesen, dass es einem Arbeitgeber gestattet sei, ohne die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden eigenständige Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung durchzuführen. Erforderlich sei hierfür jedoch, dass die Ermittlungen zügig durchgeführt werden. Durch die eigenen Ermittlungsmaßnahmen und die dadurch bedingte Sachverhaltsaufklärung werde auch die Frist aus § 626 Abs. 2 BGB gehemmt.

Straftat (Urheberrechtsverstoß) nicht Notwendig

Das BAG stellt damit zu Recht im Ergebnis klar, dass die unbefugte Verwendung des dienstlichen Computers, unabhängig von in diesem Zusammenhang begangenen Straftaten, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Ein Arbeitnehmer kann sich auch nicht darauf berufen, dass er gemeinsam mit anderen Mitarbeitern gehandelt habe. Denn das BAG weist darauf hin, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen keine Anwendung findet. Durch die Entscheidung des BAG wird somit deutlich, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden können, wenn Arbeitnehmer massiv gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Insofern kann das Argument, eine lange Betriebszugehörigkeit stünde einer Kündigung entgegen, nicht greifen.

Fazit

Nutzt ein Arbeitnehmer seinen Dienstcomputer unerlaubt für private Zwecke, ist eine außerordentliche Kündigung möglich. Die Interessen eines Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses können in diesem Fall die Interessen des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist) überwiegen. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer dadurch strafbewehrte Handlungen begeht.

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