01.12.2014Fachbeitrag

Update Gesellschaftsrecht 02

„Gesetzliche Frauenquote“

Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst

Das Bundeskabinett hat am 11. Dezember 2014 den Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teil-habe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst beschlossen. In Umsetzung des Koalitionsvertrags hatten Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig erstmals im Juni 2014 einen Referentenentwurf zur Frauenquote vorgestellt.

Der nachstehende Beitrag gibt einen Überblick über die geplanten Neuregelungen für die Privatwirtschaft:

Vorgesehen ist, dass für Aufsichtsräte zugleich börsennotierter und der paritätischen Mitbestimmung unterliegender Unternehmen zukünftig eine verpflichtende Geschlechter-quote von 30 Prozent gilt. Zudem besteht für börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen künftig die Verpflichtung, für Aufsichtsräte, Vorstände und die oberen Managementebenen „Zielgrößen“ zur Erhöhung des Frauen-anteils und Fristen zu deren Erreichung verbindlich festzulegen. Auf nicht börsennotierte Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern sollen die Neuregelungen keine Anwendung finden.

Feste Mindestquote für große Gesellschaften

Für Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften, die zudem der paritätischen Mitbestimmung nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG), dem Montan-Mitbestimmungsgesetz (Montan-MitbestG) oder dem Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz (MitbestErgG) unterliegen, soll in Zukunft der Anteil männlicher und weiblicher Mitglieder jeweils mindestens 30 Prozent betragen (sog. Gesetzliche Frauenquote). Börsennotiert ist im Sinne des Aktiengesetzes zu verstehen, d.h. erfasst sind solche Gesellschaften, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Nicht erfasst sind dem-nach Gesellschaften deren Aktien lediglich im Freiverkehr, wie etwa im Entry Standard an der Frankfurter Wertpapier-börse notiert sind.

Diese Mindestquote für beide Geschlechter gilt grundsätzlich für den gesamten Aufsichtsrat als Organ (für Anteils-eigner- und Arbeitnehmervertreterbank gemeinsam, sog. Gesamterfüllung). Dieser Gesamterfüllung kann jedoch je-weils von der Anteilseigner- oder Arbeitnehmerseite widersprochen werden mit der Folge, dass jede Bank die Mindestquote gesondert zu erfüllen hat (sog. Getrennterfüllung). 

Die Regelung soll ab dem 1. Januar 2016 gelten. Vor diesem Stichtag bestehende Aufsichtsratsmandate bleiben bis zum Ablauf der Amtsperiode von der Neuregelung unberührt. Die geforderte Quote ist demnach erstmals bei der nächsten turnusgemäßen Neuwahl/Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern nach dem Stichtag zu beachten. Sollte ein Gleichlauf der Amtszeiten der Aufsichtsratsmitglieder nicht gegeben sein, findet eine sukzessive Anpassung an die gesetzliche Quote mit den dann neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten statt.

Keine Ausnahmen vom Anwendungsbereich

Anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen, gelten die Neuregelungen nach dem aktuellen Gesetzesentwurf auch für börsennotierte Gesellschaften in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE), die aufgrund einer Vereinbarung oder bei Anwendung der Auffangregelung nach dem SE-Beteiligungsgesetz paritätisch mitbestimmt sind, sowie für börsennotierte Unter-nehmen, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehen und die auf der Grundlage des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenz-überschreitenden Verschmelzung (MgVG) paritätisch mit-bestimmt sind.

In Deutschland werden aktuell rund 100 Unternehmen von der anstehenden Neuregelung betroffen sein, wobei es sich im Wesentlichen um die großen Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien handeln wird.

„Leerer Stuhl“

Wird die gesetzlich vorgegebene quotale Verteilung der Aufsichtsratsmandate zwischen den Geschlechtern auf Anteilseigerseite nicht erfüllt, ist die Wahl der Hauptversammlung bzw. Entsendung nichtig. Ein Verstoß gegen die Quotenregelung auf Arbeitnehmerseite führt dazu, dass die Wahl nach dem MitbestG bzw. MitbestErG unwirksam ist. Im Ergebnis führt die Nichtigkeit bzw. die Unwirksamkeit der Wahl bzw. Entsendung dazu, dass die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Sitze im Aufsichts-rat als unbesetzt gelten (sog. leerer Stuhl). In diesen Fällen kommt ggf. eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bzw. im Falle von Arbeitnehmervertretern auch eine Neuwahl in Betracht.

Die Sanktion des leeren Suhl führt allerdings nicht automatisch zu einer Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats:

Auch wenn die Geschlechterquote verfehlt wird, ist der Aufsichtsrat beschlussfähig, sofern die bei großen Gesellschaften gesetzlich erforderliche Mindestzahl von 50 Pro-zent der Mitglieder des Aufsichtsrats an der Beschlussfassung teilnimmt.

Sollte die Geschlechterquote nicht erfüllt werden, sind die betroffenen Unternehmen zudem verpflichtet, die Abweichung unter Angabe von Gründen in der Erklärung zur Unternehmensführung offen zu legen.

Ggf. vorzeitige Wiederbestellung

Sofern der bestehende, nicht entsprechend der Geschlechterquote besetzte Aufsichtsrat auf Anteilseignerseite (zu-nächst) beibehalten werden soll, ist es grundsätzlich denkbar im Jahr 2015 die Mitglieder des Aufsichtsrats (vorzeitig) erneut zu bestellen, um so die Übergangszeit zu verlängern. Diese Vorgehensweise ist allerdings nicht zulässig, wenn - wie üblich - die Satzung eine feste Amtszeit vor- sieht. Deren Verbindlichkeit kann die Hauptversammlung nämlich durch einen einfachen Wahlbeschluss, der im Ergebnis auf eine Verkürzung der satzungsmäßig bestimmten Frist hinausläuft, nicht beseitigen. Alternativ wäre die Abwahl von Aufsichtsratsmitgliedern bzw. deren Amtsniederlegung in Erwägung zu ziehen, wobei etwaige rechtlichen Risiken, die sich im Einzelfall aus einem solchen Vor-gehen ergeben könnten, stets sorgsam geprüft und abgewogen werden sollten. Dabei bleibt abzuwarten, ob der BGH eine ebenso großzügige Rechtsauffassung im Hin-blick auf die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens vertreten wird wie schon im parallelen Fall der vorzeitigen Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes.

Verbindliche Zielgrößen (“Flexiquote“)

Ferner sollen Gesellschaften die entweder mitbestimmt oder börsennotiert sind, „Zielvorgaben“ für die Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten, Vorständen, und in den „beiden Führungsebenen unterhalb der Organebene“ verbindlich festlegen. Diese Regelung soll bereits ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes und nicht erst ab dem 1. Januar 2016 gelten. Erfasst von der Regelung sind nicht nur mitbestimmte Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, sondern auch solche Unternehmen, die nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmt sind, also Unternehmen ab 500 Arbeitnehmern.

Voraussichtlich werden rund 3.500 Unternehmen in Deutschland von der Neuregelung betroffen sein. Erfasst ist damit insbesondere der deutsche Mittelstand. In der Praxis kommt es allerdings nicht selten vor, dass GmbHs, welche die Schwelle von 500 Arbeitnehmern überschritten haben, den Vorgaben des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht nachkommen, weil die Initiative zur Einrichtung eines mit-bestimmten Aufsichtsrats nicht ergriffen wird.

Anders als bei der festen Mindestquote sind Aufsichtsrat bzw. Vorstand oder Geschäftsführer nicht zur Erreichung einer gesetzlich vorgegebenen Quote verpflichtet, sondern nur zur Erfüllung einer selbstgewählten Quote. Bei der Bemessung der Zielgröße kann somit sowohl die gegenwärtige Vertretung von Frauen in Managementpositionen im Unternehmen als auch in der Branche im Allgemeinen berücksichtigt werden.

Gesetzliche Vorgaben für Festlegung der Zielgrößen

Folgende Vorgaben sind bei der Festlegung der Zielgrößen zu beachten: 

Ausgangspunkt und Maßgabe für die Festlegung der Ziel-größe ist der Status Quo, d.h. sofern der Frauenanteil in einer Führungsebene zum Zeitpunkt der Festlegung der Zielgröße unter 30 Prozent liegt, darf die gesetzte Zielgröße nicht hinter diesem Status Quo zurückbleiben (sog. Verschlechterungsverbot). Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene zum Zeitpunkt der Festlegung der Zielgröße hingegen bereits bei 30 Prozent oder darüber darf die festzulegende Zielgröße für die entsprechende Führungsebene den erreichten Wert wieder unterschreiten. Fällt der Frauenanteil in der Folge allerdings unter 30 Prozent, gilt das Verschlechterungsverbot, d.h. die nachfolgend festgelegte Zielgröße darf den Status Quo nicht unterschreiten. 

Die erstmalige Frist, die zur Erreichung der Zielgrößen gesetzt wird, soll maximal zwei Jahre, die nachfolgenden Fristen nicht mehr als fünf Jahre betragen. Für den Fall des Verstoßes gegen Zielvorgaben sind keinerlei Sanktionen vorgesehen. Die Gesellschaft hat unabhängig von der Börsennotierung lediglich unter Angaben von Gründen in der Erklärung zur Unternehmensführung offenzulegen, ob sie die Zielgrößen in der gesetzten Frist erreicht hat (comply or explain).

Ausblick für die Praxis 

Der Gesetzentwurf lässt noch einige Fragen offen, die wohl erst durch die Praxis geklärt werden können. So ist etwa fraglich wie mit der Geschlechterquote und Zielgrößen in Konzernstrukturen praktisch umgegangen werden wird. Denkbar ist in diesem Zusammenhang, dass Zielgrößen nur für die Konzernholding, nicht aber für deren operativ tätigen Töchter festgelegt werden müssen.

Für die Praxis werden sich weitere Fragen insbesondere auch auf dem Gebiet des Aktienrechts, etwa im Zusammenhang mit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner durch die Hauptversammlung (Einzel- oder Blockwahl) stellen.

Auch wird der Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern voraussichtlich eine gesteigerte Bedeutung zukommen.

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