27.06.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2019

Hinterbliebenenversorgung – Mindestehedauer

BAG vom 19. Februar 2019 – 3 AZR 150/18

Eine Klausel in einer vorformulierten Pensionszusage, die für die Auszahlung der Hinterbliebenenversorgung eine Mindestdauer der Ehe von zehn Jahren zum Todeszeitpunkt festlegt, verstößt gegen das AGB-Recht und ist daher unwirksam.  

Sachverhalt

Die Klägerin war mit dem Arbeitnehmer der Beklagten für vier Jahre verheiratet bevor dieser im April 2015 verstarb. In dem zwischen dem Arbeitnehmer und der Beklagten abgeschlossenen Pensionsvertrag war eine Witwenversorgung vorgesehen, deren Auszahlung nach § 4 Abs. 2 lit. a des Vertrages nur an Witwen erfolgen sollte, die mit dem verstorbenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes mindestens zehn Jahre verheiratet waren. Mit ihrer Klage möchte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten auf Zahlung der Witwenversorgung erreichen.

Die Klägerin war weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landgericht mit ihrer Klage erfolgreich.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin vor dem BAG hatte dagegen Erfolg. Das BAG ist der Ansicht, dass die oben erwähnte Klausel gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB verstößt und daher unwirksam ist. Bei der Beschränkung der Versorgung auf Witwen, die mindestens zehn Jahre mit dem verstorbenen Arbeitnehmer verheiratet waren, handelt es sich nach Meinung des BAG um eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Sie könne nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden.

Grundsätzlich könne der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran haben, das mit der Hinterbliebenenversorgung verbundene finanzielle Risiko einzuschränken. Vorliegend orientiere sich die vorgenommene Einschränkung jedoch nicht an Risikoerwägungen. Bei der betrieblichen Altersversorgung handle es sich um Entgelt des Arbeitnehmers, welches er unabhängig von der Dauer einer Ehe erarbeitet hat. Zudem sei in der betrieblichen Altersversorgung auch eine Gegenleistung für die Betriebszugehörigkeit zu sehen. Es bestehe daher kein innerer Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Dauer der Ehe, die zudem der privaten Lebensführung zuzuordnen sei.

Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers im Hinblick auf die Verhinderung von sog. Versorgungsehen bestehe im vorliegenden Fall auch nicht. Ein solches Interesse sei zwar grundsätzlich legitim und anzuerkennen. Allerdings sei eine Zeitspanne von zehn Jahren zu lang. Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich mit der gesetzlichen Regelung betreffend die gesetzliche Rentenversicherung (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Nach dieser Vorschrift beträgt die Mindestdauer der Ehe nur mindestens ein Jahr. Außerdem lässt das Gesetz die Möglichkeit zu, die gesetzliche Vermutung bei dem Bestand einer Ehe von weniger als einem Jahr im Einzelfall zu widerlegen. Darüber hinaus stehe die betreffende Regelung zur Mindestdauer der Ehe vorliegend in keinerlei Zusammenhang mit dem Interesse der Beklagten, ein neues, hohes Versorgungsrisiko, welches erst relativ spät neu geschaffen wird, zu beschränken. Die Voraussetzung der Mindestdauer im Pensionsvertrag gelte nämlich nicht nur für Ehen, die in höherem Alter geschlossen werden, sondern auch für solche Ehen, die noch während der Erbringung der Arbeitsleistung bzw. in jungen Jahren geschlossen werden.

Praxistipp

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, dass Klauseln zur Risikobegrenzung der Hinterbliebenenversorgung vor Verwendung einer umfassenden Überprüfung unterzogen werden sollten. Orientiert sich eine Ausschlussklausel an willkürlich gegriffenen Zeitspannen ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck, so ist eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten gegeben, weil der Zweck der Hinterbliebenenversorgung durch eine solche zehnjährige Mindestehedauer gefährdet ist. Bei der Gestaltung einer Risikobegrenzungsklausel ist zunächst zu überlegen, welche Risiken genau begrenzt werden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach Ansicht des BAG inzwischen zahlreiche – rechtssichere - Möglichkeiten gibt, das Risiko einer finanziellen Belastung durch die Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen bestehende Klauseln zu prüfen und zweifelhafte Risikobegrenzungsklauseln – sofern möglich − durch wirksame zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn Anstellungsverträge in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen, beispielsweise bei Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern.

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