04.04.2017Fachbeitrag

Update Compliance 9/2017

Kartellrecht: EU-Kommission führt anonymes Hinweisgebersystem ein

Die Europäische Kommission hat ein Hinweisgebersystem eingeführt, mit dem “whistle blower” geheime Kartelle und andere unzulässige Marktabsprachen melden können – dies ggf. anonym.

Die whistle blower-Hotline der EU-Kommission nimmt Hinweise auf kartellrechtswidriges Verhalten entgegen, u. a. Preisabsprachen, Absprachen bei Ausschreibungen, unzulässige Marktbeschränkungen oder unfaire Ausschlüsse von Marktteilnehmern. Derartige Praktiken schädigten die europäische Wirtschaft, weil sie die Auswahl für Endkunden einschränken, Innovationen verhindern und Unternehmen unzulässig aus dem Markt drängen.

Das Hinweisgebersystem soll das Leniency Program der Kommission ergänzen, das Unternehmen ermöglicht, frühzeitig ihr eigenes kartellrechtswidriges Verhalten zu melden und so eine Reduzierung der ihnen drohenden Geldbuße zu erreichen. Bislang seien die meisten Kartellverstöße durch diese sog. Bonusregelung aufgedeckt worden.

Mithilfe eines speziellen E-Mail-Systems kann der Hinweisgeber anonym bleiben, gleichwohl kann mit ihm kommuniziert werden. Hinweisgeber, die den Schutz der Anonymität nicht suchen, können sich per Telefon oder E-Mail direkt an die Kommission wenden.

Praxishinweis:
Bereits zum 1. Januar 2017 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Meldesystem zur Abgabe anonymer Hinweise auf Verstöße gegen Kapitalmarktvorschriften eingeführt (siehe dazu Update Compliance Nr. 1/17).

Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden wollen besorgten und verärgerten Mitarbeitern, Wettbewerbern oder Kunden damit die Möglichkeit geben, Verstöße zu melden, ohne ihre eigene Identität preisgeben zu müssen. Inwieweit die Anonymität die Glaubhaftigkeit des Hinweises schmälert, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Fest steht aber, dass die Behörden whistle blowern Gehör verschaffen wollen.

Auch in Unternehmen werden vermehrt Hinweisgebersysteme eingerichtet:

Kreditinstitute i. S. des Kreditwesengesetzes sind gem. § 25c Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KWG hierzu sogar gesetzlich verpflichtet. Die Neufassung 2017 des Deutschen Corporate Governance Kodex empfiehlt in seiner Ziff. 4.1.3 die Einrichtung von whistle blower-Hotlines für Mitarbeiter. Mit guten Gründen wird zudem vertreten, dass die Einrichtung derartiger Meldestellen zu einem effektiven Compliance-System gehören, das Rechtsverstöße - insbesondere Straftaten – aus dem Unternehmen heraus verhindert oder schnell verfolgt.

Wie ein solches Hinweisgebersystem ausgestaltet werden kann, sodass z. B. auch Privatunternehmen whistle blowern Anonymität zusichern kann oder der whistle blower ausreichenden rechtlichen Schutz erhält, ist umstritten. Jüngst hat das Landgericht Bochum entschieden, dass Aufzeichnungen eines anwaltlichen Ombudsmanns über eine whistle blower-Meldung beschlagnahmt werden dürfen.

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