Update Arbeitsrecht September 2019
Kein allgemeines Verschlechterungsverbot für Versorgungsleistungen bei Betriebsübergang
Bei einem oder mehreren Betriebsübergängen nach § 613 a BGB gilt kein allgemeines Verschlechterungsverbot für Versorgungsleistungen. Dies hat das BAG nunmehr in einer aktuellen Entscheidung bestätigt. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen einer Ablösung gem. § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB vorliegen, ist auch nach einem weiteren Betriebsübergang die Ablösung transformierter Bestimmungen durch eine verschlechternde Betriebsvereinbarung möglich.
BAG Urteil vom 12. Juni 2019 – 1 AZR 154/17
Sachverhalt
Zunächst war der Kläger bei einer Rechtsvorgängerin der V-GmbH beschäftigt. Die Betriebsparteien schlossen eine Versorgungsordnung (BV 1992), welche u. a. eine Altersrente regelte, deren Höhe sich nach Dienstzeit und pensionsfähigem Einkommen richtete. Im Jahr 1999 ging der Geschäftsbereich SEB, dem der Kläger angehörte, auf die V SEA GmbH über (1. Betriebsübergang). Anschließend wurde dort im Jahr 2002 erstmalig ein Betriebsrat gewählt. Am 30. Mai 2013 wurde die V SEA GmbH im Wege der Aufnahme auf die jetzt beklagte Gesellschaft verschmolzen und der bisherige Betrieb vollständig in den Betrieb der Beklagten integriert (2. Betriebsübergang). Im Betrieb der Beklagten galt bereits seit dem 1. November 2008 die Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (GBV 2008), welche eine beitragsorientierte Zusage von Leistungen regelt. Zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Betriebszusammenlegung schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat der V SEA GmbH einen Sozialplan, der insbesondere die Leistung eines Initialbausteins, eines Dynamikbausteins sowie eines Aufstockungsbetrags zur Sicherung der erdienten Versorgungsansprüche vorsah. Der Kläger beantragte die Feststellung, dass sich seine betriebliche Altersversorgung weiterhin nach der BV 1992 richte und nicht etwa nach der GBV 2008.
Entscheidung
Der in den Vorinstanzen unterlegene Kläger hatte auch mit der Revision vor dem BAG keinen Erfolg. Die zunächst nach dem ersten Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Bestimmungen der BV 1992 sind nach dem zweiten Betriebsübergang durch die GBV 2008 gem. § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst worden.
Nach einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB wirken die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses entweder unmittelbar und zwingend gem. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG fort (normative Nachwirkung) oder werden Teil des Arbeitsverhältnisses (transformierte Wirkung). Eine normative Nachwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn der Betrieb seine Identität wahrt. Ansonsten werden die Bestimmungen nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert. Die transformierten Bestimmungen behalten dabei ihren kollektiven Charakter. Sofern ein weiterer Betriebsübergang folgt, werden die transformierten Bestimmungen erneut in das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber unter Fortgeltung ihres kollektiven Charakters transformiert. Eine Ablösung der transformierten Bestimmungen ist dann möglich, wenn beim Erwerber diese Rechte und Pflichten durch eine Tarifnorm oder eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB.
Vorliegend waren die Bestimmungen der BV 1992 nach dem ersten Betriebsübergang zunächst transformiert und Inhalt des Arbeitsverhältnis mit der V SEA GmbH geworden. Beim zweiten Betriebsübergang wurden diese transformierten Bestimmungen dann gemäß den Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB von der bei der Beklagten geltenden GBV 2008 verdrängt worden. Die GBV 2008 betraf inhaltlich denselben Gegenstand wie die BV 1992 und der Kläger unterfiel dem Geltungsbereich der GBV 2008.
Nach Ansicht des BAG standen der Ablösung auch keine betriebsrentenrechtlichen Erwägungen entgegen. Durch den Sozialplan wurde der erdiente Besitzstand zum Ablösungsstichtag aufrechterhalten. Auch nach dem von der Rechtsprechung zur Ablösung von Versorgungsleistungen entwickelten dreistufigen Prüfschema war die Ablösung rechtmäßig. Bei einem Eingriff in einen bereits erdienten Teilbetrag bedarf es zwingender Gründe, bei einem Eingriff in eine erdiente Dynamik triftiger Gründe und bei einem Eingriff in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Leistungen lediglich sachlich-proportionaler Gründe. Da durch den Sozialplan die erdienten Teilbeträge sowie die erdiente Dynamik gesichert waren, bedurfte es vorliegend nur sachlich-proportionaler Gründe zur Ablösung der zukünftigen Versorgungszuwächse. Solche Gründe sah das BAG in dem Interesse des Betriebserwerbers an der Vereinheitlichung seiner Versorgungsregelungen. Abschließend hat das BAG mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH klargestellt, dass kein allgemeines Verschlechterungsverbot bei Versorgungsleistungen gilt.
Praxishinweis
Eine Ablösung zunächst transformierter Bestimmungen ist in den Grenzen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB möglich. Dies gilt auch dann, wenn damit eine Verschlechterung der individuellen Position verbunden ist. Für die unternehmerische Praxis und besonders für die Bewertung bestehender Versorgungszusagen im Rahmen eines Unternehmenskaufs ist diese Entscheidung erfreulich. Mithin erkennt das BAG noch einmal ausdrücklich die Interessen des Erwerbers an, nach einem Betriebsübergang einheitliche Bedingungen in seinem Unternehmen zu schaffen. Das BAG begrenzt die gesetzlichen Möglichkeiten der Ablösung nicht durch ein – gesetzlich ohnehin nicht vorgesehenes – allgemeines Verschlechterungsverbot.