30.09.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2024

Neue Entwicklungen: Inflationsausgleichsprämie während der Elternzeit

LAG Düsseldorf 14.08.2024 – 14 SLa 303/24

In unserem vergangenen Update Arbeitsrecht hatten wir von dem Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16. April 2024 (Az. 3 Ca 2231/23) berichtet, mit dem das Gericht einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie zugesprochen hatte. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass das Arbeitsgericht den im geltenden Tarifvertrag geregelten Ausschluss von Arbeitnehmern ohne Entgeltbezug von der Inflationsausgleichsprämie für nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar hielt. 

Nun hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 14.08.2024 (Az. 14 SLa 303/24) über die Berufung entschieden und das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Essen aufgehoben. Es hielt den tarifvertraglichen Ausschluss eines Anspruchs auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie während der Elternzeit für wirksam und wies den Anspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

A. Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem Jahr 2019 bei der Beklagten beschäftigt. In der Zeit zwischen Sommer 2022 bis ins Jahr 2024 befand sich die Klägerin in Elternzeit. 

In § 2 des Arbeitsvertrags war Nachfolgendes geregelt:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Bereich Verwaltung (TVöD-V) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

Der geltende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise vom 22. April 2023, der zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der VKA, ver.di u.a. abgeschlossen worden ist, sah für den Monat Juni 2023 einen Inflationsausgleich in Höhe von einmalig 1.240,00 Euro und sodann für die Monate Juli 2023 bis Februar 2024 in Höhe von monatlich 220,00 Euro vor.

Während sich diese in Elternzeit befand, zahlte die Beklagte an die Klägerin keinen Inflationsausgleich nach dem Tarifvertrag aus. Denn die §§ 2, 3 des Tarifvertrags verlangen für einen Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie, dass der Arbeitnehmer an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 einen Entgeltanspruch hatte und diesen auch an mindestens einem Tag im Bezugsmonat hatte.

Die Klägerin verlangte sodann Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie unter Berufung auf den Tarifvertrag sowie unter Berufung auf § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG und erhob Klage, nachdem die Beklagte die Auszahlung verweigerte. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin zugleich die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 8.000,00 Euro gemäß § 15 Abs. 3 AGG.

Das Arbeitsgericht Essen verurteilte die Beklagte in erster Instanz zur Zahlung der vollen Inflationsausgleichsprämie, lehnte jedoch einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung ab. 

B. Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts

Auf die Berufung hin hob das Landesarbeitsgericht Düsseldorf das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Essen auf und wies die Klage ab.

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie zu.

Die §§ 2, 3 des geltenden Tarifvertrags verstoßen nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, wenn die tarifvertraglichen Regelungen den Anspruch auf Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie daran knüpfen, dass der Arbeitnehmer in dem entsprechenden Monat mindestens an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin während der Elternzeit vollständig ruhte und diese auch nicht in Teilzeit arbeitete, erfülle die Klägerin diese tarifvertragliche Anspruchsvoraussetzung nicht. Denn ihr stand lediglich in den zwei Monaten, für die ihr eine Inflationsausgleichsprämie ausgezahlt wurde, an mindestens einem Tag ein Entgeltanspruch zu, nicht dagegen in den Monaten der Elternzeit.

Die Differenzierung danach, ob das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers aufgrund von Elternzeit vollständig ruht oder dieser an mindestens einem Tag im betreffenden Monat einen Entgeltanspruch hat, sei sachlich gerechtfertigt und stelle daher keine mittelbare Diskriminierung dar. Denn die tarifvertragliche Inflationsausgleichsprämie verfolge einen Vergütungszweck ist sei arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Besteht im gesamten Monat kein Vergütungsanspruch, da wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsleistung erbracht wird, bestehe auch kein Anspruch auf Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie nach dem Tarifvertrag.

Der vorliegende Sachverhalt, in dem sich die Klägerin in Elternzeit befand, sei insbesondere nicht mit der Situation von Arbeitnehmern, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, vergleichbar. Es sei aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten zulässig, diesen Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichsprämie auszuzahlen, Arbeitnehmern in Elternzeit jedoch nicht. Die Tarifvertragsparteien dürfen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts für Arbeitnehmer im Krankengeldbezug bzw. Kinderkrankengeldbezug andere Regelungen vorsehen als für Arbeitnehmer in Elternzeit, da die Elternzeit in der Regel planbar sei, während die eigene Erkrankung oder die Erkrankung eines Kindes dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auftritt.

Mangels Vorliegens einer Diskriminierung wegen des Geschlechts hat das Landesarbeitsgericht auch den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 8.000,00 Euro zurückgewiesen.

C. Praxishinweis

Während das erstinstanzlich mit dem Sachverhalt befasste Arbeitsgericht Essen einen Verstoß der tarifvertraglichen Regelungen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG annahm und einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der vollen Inflationsausgleichsprämie für die Monate der Elternzeit annahm, lehnte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf einen solchen Verstoß ab und wies den Anspruch als unbegründet zurück.

Es steht zu erwarten, dass sich auch das Bundesarbeitsgericht in naher Zukunft noch mit dem Sachverhalt auseinandersetzen wird, da das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil die Revision zugelassen hat. 

Nach einer derartigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wäre die Frage nach der Vereinbarkeit tarifvertraglicher Regelungen, die hinsichtlich der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie Arbeitnehmer in Elternzeit ausnehmen, nicht dagegen jedoch Arbeitnehmer im Bezug von Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld, mit höherrangigem Recht (insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG) höchstrichterlich geklärt. Vor dem Hintergrund der völlig gegenteiligen Entscheidungen und Begründungen der erst- und zweitinstanzlich mit dem Sachverhalt befassten Gerichte bleibt eine höchstrichterliche Klärung der Frage durch das Bundesarbeitsgericht mit Spannung abzuwarten.

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