Update Arbeitsrecht September 2024
Angemessenheit einer Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber zunächst befristete Arbeitsverträge abschließen wollen. Hierbei stellt sich die Frage, ob trotz der Befristung eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit bestehen soll. Hierfür bedarf es einer entsprechenden vertraglichen Regelung. Wenn dazu eine Probezeit vereinbart wird, kann eine ordentliche Kündigung mit der verkürzten Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 3 BGB erfolgen. Das LAG Berlin-Brandenburg musste in diesem Zusammenhang klären, wie lang eine Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis sein darf.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang, ob die vereinbarte Probezeit gegen § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt. Die Parteien hatten mit Wirkung zum 22.08.2022 einen für die Dauer eines Jahres befristeten Arbeitsvertrag geschlossen. Die Klägerin sollte für ein bestimmtes Projekt bei der Beklagten beschäftigt werden. In § 16 des Arbeitsvertrages heißt es unter anderem wie folgt:
„Dieser Vertrag tritt am 22.08.2022 in Kraft und ist befristet bis zum 21.08.2023. […] Die ersten vier Monate der Tätigkeit gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann der Arbeitsvertrag von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Unbeschadet der […] Befristung bleibt beiden Parteien vorbehalten das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich zu kündigen.“
Mit Schreiben vom 09.12.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dies war nach Auffassung der Beklagten der 28.12.2022. Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. Mit Urteil vom 04.10.2023 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage insoweit entsprochen, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Kündigung vom 09.12.2022 erst am 15.01.2023 geendet hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass die verkürzte Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit unwirksam und deshalb die Kündigung vom 09.12.2022 in eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB umzudeuten sei. Denn die vereinbarte Probezeit sei im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit zu kurz bemessen.
Entscheidung
Beide Parteien legten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin Berufung ein. Die Berufungen waren beide unbegründet. Das LAG Berlin-Brandenburg stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Kündigung der Beklagten vom 09.12.2022 mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB sein Ende gefunden hat.
Die vertragliche Regelung, wonach die ersten vier Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten, in der das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von nur zwei Wochen gekündigt werden kann, sei als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Regelung verstoße gegen § 15 Abs. 3 TzBfG. Danach muss die in einem befristeten Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit in einem angemessenen Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Hierfür gebe es zwar kein starres Verhältnis von Befristungs- und Probezeitdauer. Die Beklagte habe jedoch nicht überzeugend dargelegt, warum bei einer Befristungsdauer von einem Jahr das im Arbeitsvertrag geregelte höhere Verhältnis von Befristungsdauer und Probezeitdauer im Umfang eines Drittels insbesondere auf Grund der Art der Tätigkeit ein angemessenes Verhältnis darstellen würde. Folglich sei die Regelung im Arbeitsvertrag nicht mit dem Grundgedanken des bei Abschluss des Arbeitsvertrags schon existenten § 15 Abs. 3 TzBfG in Einklang zu bringen. Die Nichtigkeit führe jedoch nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Der Inhalt des Arbeitsvertrages richte sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Folglich greife § 622 Abs. 1 BGB, so dass das Arbeitsverhältnis mit der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden könne. Die Auffassung der Klägerin, dass mit der Vereinbarung der Probezeit auch die Wartezeit vereinbart sei, hielt das LAG Berlin-Brandenburg für unzutreffend und folgte dieser Ansicht nicht.
Praxistipp
Es sollte vor Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags stets geprüft werden, ob auch eine ordentliche Kündigung während der Befristungsdauer möglich sein soll. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, da ansonsten wegen § 15 Abs. 3 TzBfG eine ordentliche Kündigung während der Befristungsdauer nicht möglich ist. Gleichzeitig kann auch eine Probezeit vereinbart werden. Da die Probezeit allerdings eine verkürzte Kündigungsfrist vorsieht, muss die Probezeit in einem angemessenen Verhältnis zur Befristungsdauer stehen.
Wie das vorliegende Urteil des LAG Berlin-Brandenburg zeigt, steht eine Probezeit von vier Monaten in keinem angemessenen Verhältnis zu einer befristeten Vertragsdauer von einem Jahr. Es bedarf deshalb stets einer vorherigen Abwägung, um im Einzelfall eine angemessene Probezeitdauer zu vereinbaren.