Update Arbeitsrecht September 2024
Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen sexueller Belästigung einer Kollegin auf einer Betriebsfeier
Einem Arbeitnehmer, der einer Kollegin einen Klaps auf das Gesäß gibt und sie gegen ihren Willen festhält, kann aus diesem Grunde außerordentlich gekündigt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der Vorfall im Rahmen einer Betriebsfeier ereignet. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es im Einzelfall nicht.
Sachverhalt
Der Kläger war seit einem Jahr als Standortakquisiteur im Außendienst bei der Beklagten tätig und war bereits zuvor wegen unangemessenen verbalen und körperlichen Verhaltens auf einer Betriebsfeier von der Beklagten abgemahnt worden. Am 02.03.2024 fiel er auf einer weiteren Betriebsfeier erneut durch körperlich aufdringliches Verhalten auf. Als eine Mitarbeiterin an ihm vorbeiging, gab er ihr einen Klaps auf den Po und bemerkte, sie solle dies als Kompliment werten. Kurz darauf kam es zu einer erneuten Begegnung zwischen beiden. Als die Mitarbeiterin versuchte, sich der Situation zu entziehen, zog der Kläger sie an sich heran und drückte sie an seinen Körper. Nachdem sie sich von ihm lösen konnte, legte er seine Hand an ihren Hals und äußerte, dass sie doch auf so etwas stehe. In der Folge kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos mit Schreiben vom 08.03.2024. Eine Anhörung blieb dabei aus. Daraufhin erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Die Beklagte beantragte ihrerseits die Abweisung der Klage und forderte im Wege der Widerklage die Rückzahlung des versehentlich für März gezahlten vollen Entgelts. Der Kläger rechnete hiergegen mit Provisionsansprüchen auf.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Kündigungsschutzklage des Außendienstmitarbeiters ab und gab der Widerklage des Arbeitgebers statt. Nach der Vernehmung der Mitarbeiterin war das Gericht überzeugt, dass der Kläger seine Arbeitskollegin auf der Betriebsfeier sexuell belästigt hatte. Das Gericht sah hierin einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB, der die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigte. Dabei berief sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine sexuelle Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 AGG nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt, die „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG liegt danach dann vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten die Würde der betroffenen Person verletzt. Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen ist demnach bereits deshalb sexuell bestimmt, weil es sich um einen auf die körperliche Intimsphäre gerichteten Übergriff handelt. Bei anderen Handlungen, die nicht unmittelbar das Geschlechtliche im Menschen zum Gegenstand haben, wie bspw. Umarmungen, kann sich eine Sexualbezogenheit aufgrund einer mit ihnen verfolgten sexuellen Absicht ergeben. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger durch den Klaps auf das Gesäß der Mitarbeiterin ein Körperteil berührte, das sexuelle Reize ausstrahlen kann und in diesem Fall mangels anderer Motive nur als sexuell bestimmt gewertet werden konnte. Die Bemerkung des Klägers, es als „Kompliment“ zu verstehen, unterstrich den sexuellen Charakter seiner Handlung. Auch das wiederholte Festhalten und die Berührung am Hals der Mitarbeiterin wurden als übergriffiges Verhalten interpretiert. Der Kläger stellte hierbei seinen Wunsch, die Mitarbeiterin in seiner Nähe zu halten, über ihren freien Willen und nutzte seine Machtposition als Mann gegenüber ihrer Freiheit aus.
Praxishinweis
Auch wenn die voranstehende Entscheidung eindeutig zu sein scheint und vorliegend auch nicht überraschen (darf), bedarf es in derartigen Fällen stets einer Abwägung des Einzelfalls. Ob eine sexuelle Belästigung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, hängt dabei von den konkreten Umständen, insbesondere vom Ausmaß und der Intensität des Vorfalls, ab. Insbesondere ist zu überlegen, ob eine Anhörung des Mitarbeiters vor Ausspruch der Kündigung aufgrund eines Verdachts erforderlich ist.
Eine Abmahnung kann in derartigen Fällen vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich sein, da sexuelle Belästigungen regelmäßig schwerwiegende Pflichtverletzungen darstellen. Denn dem Arbeitnehmer muss die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ebenso bewusst sein wie die Tatsache, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten keinesfalls tolerieren wird; und dies gilt ebenso uneingeschränkt auf der Betriebsfeier.