31.05.2021CoronaFachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2021

Kein Beschäftigungsanspruch bei ärztlich attestierter Unfähigkeit, eine Maske zu tragen

Landesarbeitsgericht Köln vom 12.04.2021 - 2 Sa 1/21

Muss ein Arbeitnehmer beschäftigt werden, der – durch ärztliches Attest belegt – nicht in der Lage ist, die beim Arbeitgeber geltende Maskenpflicht einzuhalten?

Mit dieser Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht Köln jüngst zu befassen und stellte fest, dass ein Arbeitgeber, in dessen Betrieb die Pflicht besteht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, einen Arbeitnehmer nicht beschäftigen muss, dem die Einhaltung dieser Pflicht unmöglich ist. Der Arbeitnehmer ist, so das Landesarbeitsgericht, in diesem Fall arbeitsunfähig.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Seine Tätigkeiten erfolgten zwischen 60 und 80 Prozent im Büro, die restliche Zeit im Außendienst. Bei der Beklagten hat noch keine Umstellung der Bauakten auf digitale Akten stattgefunden. Flure und Treppenhäuser im Rathaus sind so schmal, dass sie einen Abstand von 1,5 m beim Aufeinandertreffen von Personen nicht ermöglichen. 

Mit Schreiben vom 6. Mai 2020 ordnete die Beklagte an, dass in den Räumlichkeiten des Rathauses sowohl für Besucher als auch für Beschäftigte das Tragen einer Maske verpflichtend sei. Der Kläger weigerte sich, dieser Anordnung nachzukommen. Auch der Aufforderung der Beklagten, als milderes Mittel des Infektionsschutzes ein Gesichtsvisier zu tragen, kam er nicht nach. Der Kläger legte zwei Atteste vor, die seine Befreiung von der Maskenpflicht sowie von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art bestätigten.

Die Beklagte weigerte sich daraufhin, den Kläger im Rathaus zu beschäftigen. 

Dieser begehrte im Wege des Eilrechtsschutzes seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung, alternativ die Beschäftigung im Homeoffice. 

Das Arbeitsgericht Siegburg (4 Ga 18/20) hat erstinstanzlich die Anträge des Klägers zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Anordnung der Mund-Nase-Bedeckung vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Auch die begehrte Beschäftigung im Homeoffice komme nicht in Betracht, da sich die Tätigkeit des Klägers wegen der nur im Rathaus vorgehaltenen Arbeitsmittel und Karten nicht für eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice eigne. 

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Es verweist auf die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (vom 21. Januar 2021 in der Fassung vom 11-3-2021). Hieraus ergebe sich die Maskenpflicht im Rathaus der Beklagten und die Verpflichtung von Arbeitgebern, zum größtmöglichen Schutz der Beschäftigten eine Maskenpflicht anzuordnen.

Im Übrigen wäre die Anordnung zum Tragen der Maske unabhängig von diesen Verordnungen nach § 106 Abs. 1 GewO grundsätzlich vom Direktionsrecht umfasst und im Einzelfall auch angemessen. Das Tragen einer FFP2- Maske solle sowohl andere Mitarbeiter und Besucher des Rathauses mit Termin als auch den Kläger vor Aerosolen schützen.

Die Tatsache, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leide, die es ihm unmöglich mache, der Maskenpflicht nachzukommen, stünde der Verhältnismäßigkeit der Anordnung nicht entgegen. Das Interesse der Beklagten, den Ausstoß von Aerosolen im Rathaus auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, gehe in der Abwägung dem Interesse des Klägers, ohne Maske arbeiten zu können, vor. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld habe, das in der Regel ausreichend sei, um eine Heilung zu ermöglichen.

Das Landesarbeitsgericht verneinte zudem die Eilbedürftigkeit, da der Kläger bisher noch keinerlei Anstrengungen unternommen habe, die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung zu beseitigen und durch Antrag auf eine Psychotherapie eine Heilung in Gang zu setzen.

Der hilfsweise beantragten Beschäftigung im Homeoffice stand nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die fehlende Eignung der Tätigkeit des Klägers für eine vollständige Tätigkeit außerhalb des Rathauses entgegen. Ein Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Der Einrichtung eines mobilen Arbeitsplatzes stünden zwingende betriebsbedingte Gründe entgegen. Da das mobile Arbeiten nur die Bürotätigkeiten erfassen würde, die ohne Austausch von Bauakten und Plänen und ohne Besuch des Rathauses möglich seien, bliebe es für die restlichen Arbeiten bei einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Da das deutsche Entgeltfortzahlungsgesetz keine Teilarbeitsunfähigkeit kenne, wäre die Investition in den mobilen Arbeitsplatz unnütz, da sie die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht wiederherstellen könne.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung.

Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gehört seit einem Jahr bei privaten wie Arbeitgebern der öffentlichen Hand zum Arbeitsalltag. Sie dient, wie das Landesarbeitsgericht Köln zutreffend ausführt, dem Schutz aller Beteiligten vor einer Infektion mit SARS-CoV-2. Insofern ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen, wenn es dem Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen im Betrieb auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers, ohne Maske arbeiten zu können, ein größeres Gewicht beimisst.

Auf den ersten Blick vielleicht überraschend, aber letztlich nur konsequent ist die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen die im Betrieb des Arbeitgebers geltende – weil wirksam angeordnete – Maskenpflicht nicht einhalten kann.

Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt per definitionem vor, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird. Der Kläger war vorliegend dazu verpflichtet, seine Tätigkeit im Rathaus der Beklagten unter Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erfüllen. Daran war er aufgrund einer attestierten psychischen Erkrankung gehindert. Er war mithin arbeitsunfähig.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln besagt jedoch keineswegs, dass jeder Arbeitnehmer, der aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen kann, automatisch arbeitsunfähig ist. Kann die vertraglich geschuldete Tätigkeit auch ohne das Tragen einer Maske ausgeübt werden, wird man eine Arbeitsunfähigkeit verneinen müssen.

Ferner ist stets zu prüfen, ob eine leidensgerechte Beschäftigung (bspw. im Homeoffice) möglich ist. Ob eine solche Möglichkeit besteht, ist eine Frage des Einzelfalls.

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