30.09.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2019

Keine Gewährung von halben Urlaubstagen

Vom Arbeitgeber gewährte halbe Urlaubstage können vom Arbeitnehmer wegen unzulässiger Erfüllung des Urlaubsanspruchs nochmals gefordert werden.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2019, 4 Sa 73/18

Arbeitnehmer können vom Arbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs keine halben Urlaubstage verlangen. Wenn Arbeitgeber dennoch halbe Urlaubstage gewähren, entspricht dies zumindest hinsichtlich des Mindesturlaubs nicht der ihm obliegenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Urlaubsgewährung. Ein derart gewährter halber Urlaubstag könnte daher vom Arbeitnehmer nochmals gefordert werden. Eine abweichende arbeitsvertragliche Regelung ist nur zulässig, sofern sie den vertraglichen Mehrurlaub betrifft. 

SACHVERHALT

Der Arbeitnehmer forderte die Gewährung halber Urlaubstage in dem in der Vergangenheit gewährten Umfang (16 bzw. 20 halbe Tage) mit kurzer Ankündigungsfrist ohne und hilfsweise nach Berücksichtigung etwaiger entgegenstehender betrieblicher Belange. Zwischen den Parteien war streitig, ob eine solche halbtätige Urlaubsgewährung vertraglich vereinbart wurde und nach den gesetzlichen Regelungen des BUrlG möglich ist. Der Kläger trug vor, dass er auf dem Weingut seiner Familie je nach Wetterbedingungen in der Lage sein müsse, kurzfristig aushelfen zu können und daher auf eine halbtätige Urlaubsgewährung mit kurzfristiger Ankündigung – so wie in der Vergangenheit – angewiesen sei. Die Beklagte war der Auffassung, dass sie nicht zur halbtätigen Urlaubsgewährung verpflichtet sei, da dies bei ihr Zusatzkosten und Dispositionsprobleme verursache. Das Arbeitsgericht Heilbronn wies die Klage ab. Es war der Auffassung, dass selbst bei Annahme einer vorbehaltslosen Urlaubsgewährung in der Vergangenheit nicht auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers, dass der Urlaub auch künftig vorbehaltslos als Selbstbeurlaubung ohne Berücksichtigung etwaiger entgegenstehender betrieblicher Belange, geschlossen werden könne.

ENTSCHEIDUNG

Die Berufung des Arbeitnehmers vor dem LAG Baden-Württemberg blieb ohne Erfolg und wurde abgewiesen. Das LAG ist der Ansicht, dass eine halbtägige Urlaubsgewährung – selbst nach dem ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers – keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers darstellt und daher gemäß § 7 Abs. 2 BUrlG unzulässig ist. Grundsätzlich müsse – zwecks ordnungsgemäßer Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers – Urlaub nach § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG zusammenhängend gewährt werden. Eine Ausnahme greife nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erfordern würden. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass Urlaub dem Erholungszweck dienen soll, könne selbst nach dem ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten (Bruchteile von unter einem Urlaubstag) eine ordnungsgemäße Urlaubsgewährung nicht bewirken. Vielmehr führe eine solche Urlaubsgewährung im Ergebnis dazu, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nochmals fordern könne. Von diesen Grundsätzen könne gemäß § 13 BUrlG arbeitsvertraglich auch nur im Hinblick auf den vertraglichen Mehrurlaub, nicht jedoch im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub, abgewichen werden. 

Der Arbeitnehmer hat Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG eingelegt, sodass abzuwarten bleibt, wie das BAG dieses streitige Thema nun endgültig auflösen wird: Der fünfte Senat des BAG hat im Jahr 1965 zwar erstmalig entschieden, dass die Gewährung von halben Urlaubstagen keine wirksame Erfüllung von gesetzlichen Urlaubsansprüchen darstellt, weil hierdurch der Erholungszweck nicht gewahrt werde und daher auch nicht zur Disposition der Parteien stünde. Erst durch eine „länger geschlossenen Urlaubsperiode“ könne von einer ordnungsgemäßen Erfüllung ausgegangen werden (BAG 29.07.1965, 5 AZR 380/64). Allerdings entschied der neunte Senat des BAG im Jahr 1992 dann hinsichtlich der Gewährung eines einzelnen Urlaubstags (Rosenmontag) – ohne großartige Auseinandersetzung mit den zuvor vom BAG im Jahr 1965 aufgerissenen Problemen – dass dies einer ordnungsgemäßen Urlaubsgewährung entspreche (BAG 08.12.1992, 9 AZR 81/92). Diese Auffassung gab der neunte Senat dann im Jahr 2006 offenbar wieder auf und entschied (erneut ohne nähere Begründung), dass die Stückelung des Urlaubs auf einzelne Tage – aufgrund der Unteilbarkeit des Urlaubs – unzulässig ist (BAG 21.11.2006, 9 AZR 97/06). Nach der Auffassung des LAG Hamburg und des LAG Niedersachsen stellt die Gewährung von halben Urlaubstagen sehr wohl eine zulässige Erfüllung des Urlaubsanspruchs dar, da der Teilungswunsch des Arbeitnehmers ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund nach § 7 Abs. 2 BUrlG ist. Diese Entscheidung stünde – so das LAG Niedersachsen – auch nicht der BAG Entscheidung aus dem Jahr 1965 entgegen, da sich das BAG hierin nicht mit der Frage, ob der Teilungswunsch des Arbeitnehmers ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund darstellen könne, auseinandergesetzt habe (LAG Hamburg 21.09.2015, 8 Sa 46/14; LAG Niedersachsen 23.04.2009, 7 Sa 1655/08). Das LAG Düsseldorf scheint sich hingegen bei der Beantwortung dieser Frage uneinig zu sein. Im Jahr 2004 entschied es – so wie das LAG Niedersachsen und Hamburg – dass eine Teilung von Urlaub (hier u. a. 3 Tage) zulässig ist, sofern diese auf Wunsch des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber genehmigt wurde. In diesem Fall liege dann ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund nach § 7 Abs. 2 BUrlG vor (LAG Düsseldorf 25.10.2004, 10 Sa 1306/04). Im Jahr 2007 kehrte es dieser Entscheidung jedoch wieder den Rücken und vertrat die Auffassung, dass eine tageweise Urlaubsgewährung – wegen des Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BUrlG – unzulässig ist, da eine zusammenhängende Gewährung von mindestens 12 Werktagen zu erfolgen habe (LAG Düsseldorf 25.07.2007, 12 Sa 944/07). Zuletzt entschied dann wieder das BAG im Jahr 2018 – ohne sich weiter mit der unterschiedlichen diesbezüglichen Rechtsprechung zu befassen – dass soweit kein Bruchteil von Urlaubstagen geschuldet ist, gemäß § 7 Abs. 2 BUrlG die Arbeitsbefreiung durch Erteilung von Urlaub nur für den ganzen Tag gewährt werden kann (BAG 19.06.2018, 9 AZR 615/17).

PRAXISTIPP

Sofern Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern halbe Urlaubstage gewähren möchten, so sollten sie diesbezüglich eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag oder in der Dokumentation von Urlaubsantrag und Genehmigung aufnehmen, welche eine halbtägige Urlaubsgewährung ausschließlich für den vertraglichen Mehrurlaub vorsieht. Ansonsten ist von der halbtägigen Urlaubsgewährung strikt abzuraten. 

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