Newsletter Arbeitsrecht Mai 2016
Mitbestimmungsrecht beim Verbot der privaten Handynutzung während der Arbeitszeit
ArbG München, Beschluss vom 18.11.2015 – 9 BVGa 52/15
Das Verbot der Nutzung von Mobiltelefonen zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit, bzw. die Anweisung, sich jede Nutzung von einem Vorgesetzten genehmigen zu lassen, betrifft das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer und löst damit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.
Der Antragsteller war der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin erteilte an ihrem Münchener Standort per Mail an alle Mitarbeiter eine Weisung, nach der die Benutzung privater Mobiltelefone zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit verboten und jegliche Nutzung von Mobiltelefonen, ob dienstlich oder privat, zuvor von einem Vorgesetzten zu genehmigen ist. Eine vorherige Zustimmung des Betriebsrates zu diesem Handyverbot wurde nicht eingeholt.
Betriebliche Ordnung ist grundsätzlich berührt
Das Arbeitsgericht München sah in dem eigenmächtigen Vorgehen der Antragsgegnerin eine Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Das Verbot, private Mobiltelefone während der Arbeitszeit zu benutzen, bzw. die Anweisung, jede private oder dienstliche Nutzung von einem Vorgesetzten genehmigen zu lassen, betreffe die betriebliche Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und sei deshalb gemäß § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Ein Bezug zur betrieblichen Ordnung bestehe bereits deshalb, weil andere Arbeitnehmer durch die private Nutzung des Mobiltelefons am Arbeitsplatz gestört werden könnten.
Arbeitsverhalten ist grundsätzlich nicht berührt
Dagegen werde das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten der Mitarbeiter durch den Ausspruch eines Handyverbots in aller Regel nicht berührt. Zwar sei es die Pflicht des Arbeitnehmers, die ihm übertragenen Aufgaben konzentriert zügig und fehlerfrei zu erledigen. Es seien allerdings viele Situationen vorstellbar, in denen die private Nutzung des Mobiltelefons mit der ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung vereinbar sei. Der kurze Blick auf das Mobiltelefon, um zu ersehen, ob verpasste Anrufe oder Textnachrichten angezeigt werden, stehe einer ordnungsgemäßen Arbeitsleistung grundsätzlich nicht entgegen. Vielmehr könne es für die Fähigkeit zur Konzentration auf die Arbeitsleistung sogar förderlich sein, wenn ein Mitarbeiter wisse, dass er für Kinder oder pflegebedürftige Personen jederzeit erreichbar ist. Das Arbeitsgericht München bezieht sich zudem auf eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1986, in der das BAG die Sichtweise vertrat, dass das Abspielen von Musik (im konkreten Fall ging es um das Radiohören), was heute problemlos auch mit Mobiltelefonen möglich ist, nicht zwingend einer ordnungsgemäßen Arbeitsleistung entgegensteht (BAG v. 14.1.1986, Az.: 1 ABR 75/83).
Nicht jedes Handyverbot unterliegt der Mitbestimmung
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts München kann das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten durch die Anordnung eines generellen Handyverbots nur dann berührt sein, wenn Mitarbeiterwährend der Arbeitszeit zum Beispiel in einem direkten Kontakt zum Kunden stehen (wie im Bereich der Kundenberatung), da sich die Weisung in diesen Fällen unmittelbar auf die vom Arbeitgeber kraft Direktionsrecht vorgegebene Arbeitsleistung auswirkt (kein Musik hören, kein Nachrichten lesen während eines Beratungsgesprächs). Das Handyverbot könnte hier ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen werden.
Divergierende Rechtsprechung
Das BAG hat sich bislang nicht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Verbot der privaten Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Das LAG Rheinland Pfalz vertrat im Jahr 2009 (Beschl. v. 30.10.2009 – 6 TaBV 33/09) den Standpunkt, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in diesen Fällen nicht bestehe. Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Handynutzung sei nach Auffassung des LAG nicht auszuschließen. Zudem unterscheide sich das passive Radiohören während der Arbeitszeit, über das das BAG zu entscheiden hatte (s.o.), auch deutlich von einer aktiven Nutzung des Handys.
Fazit
Ob das generelle Verbot der privaten Handynutzung während der Arbeitszeit der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Gegen die Entscheidung des ArbG München ist Beschwerde beim Landesarbeitsgericht München eingelegt (10 TaBVGa 18/15). Solange es an einer klaren Linie in der Rechtsprechung fehlt, sind Arbeitgeber gut beraten, mit dem Betriebsrat eine einvernehmliche Regelung über ein beabsichtigtes generelles Verbot der privaten Handynutzung zu erzielen. Dies steigert regelmäßig auch die Akzeptanz in der Belegschaft.