Update Compliance 1/2016
Neues Marktmissbrauchsrecht: Regierung plant schärfere Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen
Ab Juli 2016 gilt die europäische Marktmissbrauchsverordnung unmittelbar. Die Bundesregierung hat nun den Entwurf eines Finanzmarktnovellierungsgesetzes vorgelegt, der strenge Sanktionen gegen Personen und Unternehmen bei Verstößen gegen Marktmissbrauch vorsieht. Damit werden Vorgaben der EU aus der Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt.
Der Gesetzentwurf streicht die Verbote des Insiderhandels und der Marktmanipulation (bislang §§ 14, 20a) aus dem Wertpapierhandelsgesetz, weil diese in der Marktmissbrauchsverordnung (VO [EU] Nr. 596/2014) niedergelegt sind. Art. 14 der Verordnung enthält die Insider-, Art. 15 die Marktmanipulationsverbote. Auf dies Verbote nehmen die neugestalteten Strafvorschriften in § 38 WpHG unmittelbar Bezug:
Insiderverbote: Sämtliche Vorsatzverstöße sind zukünftig strafbar
Vorsätzliche Verstöße gegen jedwedes Insiderverbot – Handel, Empfehlung, Verleitung – sind zukünftig für jedermann strafbar. Das neue Recht macht keinen Unterschied mehr zwischen Primär- und Sekundärinsidern. Damit sollen auch solche Verbotsverstöße, die bislang lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet wurden (z. B. die Empfehlung durch einen Sekundärinsider), ab Juli mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft werden. Der Versuch soll ebenfalls strafbar sein. Wer nur leichtfertig handelt, riskiert eine Geldbuße von bis zu 5 Mio. Euro.
Marktmanipulationsverbote: Verfünffachung des Bußgeldrahmens
Verstöße gegen die Verbote der Marktmanipulation werden mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet, wenn durch sie auf den Preis des betroffenen Finanzinstruments eingewirkt wird. Bleibt die Einwirkung aus, wird der Verstoß als Ordnungswidrigkeit geahndet: hier droht zukünftig ein Bußgeld von bis zu 5 Mio. Euro (bislang 1 Mio.). Der Entwurf sieht die Einführung besonders schwerer Fälle vor, die mit Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren sanktioniert werden sollen. Dies betrifft zunächst die banden- und gewerbsmäßige Begehung der Marktmanipulation. Zudem liegt dann ein besonders schwerer Fall vor, wenn ein „Finanzmarktprofi“ (Mitarbeiter einer Aufsichtsbehörde, einer Börse oder eines Handelsplatzes) die Tat begeht. Prozessuale Folge dieser erhöhten Strafandrohung ist u.a., dass wegen einer solchen Straftat – die ein Verbrechen gem. § 12 StGB ist – geführte Verfahren nicht mehr gegen Geldauflage eingestellt werden können. Damit wird der in Wirtschaftsstrafverfahren derzeit häufigste Verfahrensabschluss im Bereich schwerer Marktmanipulation unanwendbar.
Hohe Bußen gegen Unternehmen
Der Entwurf des neuen WpHG sieht zudem eigene Sanktionen gegen Unternehmen vor, die im Einzelfall bis zu 15 Mio. Euro betragen sollen. Damit etabliert das WpHG ein eigenes Unternehmensbußgeldrecht, das sich von den allgemeinen Regeln der Verbandsgeldbuße emanzipiert.
Transparenz- und Compliance-Verstöße werden mit höheren Bußgeldern geahndet
Die Marktmissbrauchsverordnung sieht in Art. 16 umfassende Compliance-Pflichten vor. Wer diese nicht erfüllt, soll zukünftig mit einem Bußgeld von bis zu 1 Mio. Euro pro Verstoß sanktioniert werden. Dasselbe gilt für Pflichtverstöße bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17). Wer Insiderlisten (Art. 18) nicht ordnungsgemäß führt oder directors‘ dealings (Art. 19) nicht pflichtgemäß veröffentlicht, dem droht pro Verstoß eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro.
Veröffentlichung von Verstößen auf der BaFin-Website
Gem. § 40d WpHG-E hat die BaFin Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die wegen Verstößen nach den vorgenannten Pflichten ergehen, auf ihrer Internetseite bekanntzugeben. Ein Aufschub oder ein Absehen von der Veröffentlichung ist nur in engen Ausnahmefällen vorgesehen.
BaFin wird Strafverfolgungsbehörde
§ 4 WpHG-E sieht erweiterte Eingriffsrechte der BaFin vor, die vor allem der Ermittlung von Kapitalmarktdelikten (Insiderhandel und Marktmanipulation) dienen: Die BaFin soll unter bestimmten Voraussetzungen Telekommunikationsdaten, E-Mail-Verkehr und Telefongesprächsaufzeichnungen herausverlangen, Durchsuchungen und Sicherstellungen durchführen und die Beschlagnahme von Vermögenswerten beantragen dürfen. All dies sind klassische Aufgaben von Strafverfolgungsbehörden – die BaFin gehört im Bereich der repressiven Bekämpfung des Marktmissbrauchs nun unzweifelhaft dazu.
Praxishinweis
Die Neuregelung des Wertpapierhandelsgesetzes im Zusammenspiel mit der unmittelbaren Geltung der Marktmissbrauchsverordnung führt zu einer Verschärfung der Sanktionierung von Marktmissbrauch und Transparenzverstößen. Sie war vor dem Hintergrund der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie absehbar.
Marktteilnehmer sind gut beraten, sich mit den neuen Compliance-, Transparenz- und Marktmissbrauchsregeln vertraut zu machen und entsprechende Systeme vorzuhalten, die Verstöße vermeiden.
Die BaFin mutiert von der Aufsichts- zur Strafverfolgungsbehörde. Das bedeutet gleichzeitig, dass Finanzmarktverstöße regelmäßig mit Mitteln des Strafprozessrechts verfolgt werden. Im Falle einer Ermittlungs- oder Aufsichtsmaßnahme, schlimmstenfalls einer Durchsuchung durch die BaFin und/oder Staatsanwaltschaft empfiehlt es sich, sofort einen im Kapitalmarktstrafrecht versierten Rechtsanwalt beizuziehen.
Hinweise für Unternehmen zum Umgang mit strafprozessualen Ermittlungen finden Sie auf der Seite des AnwaltSpiegels.