28.03.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2023

Pause im Raucherbereich kann als Arbeitsunfall der Unfallversicherung unterfallen

Wo hört das räumlich-zeitliche Umfeld von spezifischen Betriebsgefahren auf und wo beginnt die “Eigenwirtschaftlichkeit”? Damit hatte sich das LSG Baden-Württemberg („LSG“) in einer Entscheidung aus Februar 2023 zu befassen und entschied, dass sich auch während des Aufenthalts im Raucherbereich eine spezifische Betriebsgefahr verwirklichen kann, die dem Unfallversicherungsschutz unterfällt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.2.2023 – L 1 U 2032/22).

Sachverhalt

Der Entscheidung lag – knapp beschrieben – folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger war als Monteur bei seinem Arbeitgeber eingesetzt. Im Rahmen dieser Tätigkeit kam es immer mal wieder zu Leerlaufzeiten. Während dieser war es dem Kläger gestattet seinen Arbeitsplatz zu verlassen und sich für Aufträge auf dem Firmengelände des Arbeitgebers bereit zu halten.

An einem Tag im Januar 2021 begab sich der Kläger, der selbst nicht raucht, in den Außenbereich des Firmengeländes und suchte dort die „Raucherinsel“ auf, um einem Kollegen, der dort rauchte, Gesellschaft zu leisten.

Während sich der Kläger mit dem Kollegen unterhielt wurde er von einem Gabelstapler, der mit einer Gitterbox beladen war, angefahren. Dabei ging der Kläger zu Boden und zog sich mehrere Frakturen zu, die operativ versorgt werden mussten.

Der genaue Unfallhergang ist im Prozess unklar geblieben. Der Arbeitgeber und der Kläger tragen verschiedene Hergänge vor.

Entscheidung des LSG Baden-Württemberg

Das LSG entschied, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten habe, welcher von der Unfallversicherung abgedeckt sei. Der Kläger habe zwar zum Zeitpunkt des Unfalls keine Tätigkeit verrichtet, die unmittelbar einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei, es verwirkliche sich aber ein spezifischer Gefahrenzusammenhang, welcher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei.

Das LSG nimmt eine wertende Betrachtung vor, wonach sich ein Risiko aus der Sphäre der versicherten Tätigkeit verwirkliche und daher dieser zuzurechnen sei. So sei ein Versicherungsschutz bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen nicht vollkommen ausgeschlossen. Insbesondere könne sich eine „besondere Betriebsgefahr“ auch bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen verwirklichen. Solche besonderen Betriebsgefahren können bspw. betrieblichen Einrichtungen entspringen, wie Gebäuden und Maschinen.

Der Versicherungsschutz resultiere dann aus dem Sinn und Zweck der Unfallversicherung, die den Beschäftigten vor Gefahren des Betriebs versichern soll, denen die Beschäftigten wegen ihrer Beschäftigung ausgesetzt sind.

So stelle der Gabelstapler ein objektiv gefährliches Betriebsmittel dar, dessen Nutzung eine „besondere Betriebsgefahr“ sei. Auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung gehe auf Ihrer Website von einem hohen Gefährdungspotential von Gabelstaplern aus. Danach sei die Gefahr von Gabelstaplern im Vergleich zum allgemeinen Straßenverkehr erhöht und nachgewiesen und zudem Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften.

Auch bestehe ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers, als sich dieser auf der Raucherinsel aufhielt. Der Kläger habe eine Pause an einem speziell dafür eingerichteten Ort vorgenommen. Er können sich dann auch darauf verlassen, dass der vorgesehene Pausenort sicher und sämtliche Betriebsgefahren dort gebannt seien. Die Pause sei auch gerade wegen der versicherten Tätigkeit nötig gewesen, sodass eine hinreichende Verknüpfung zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall bestehe. Die Weiterarbeit werde durch die geistige und körperliche Erholung begünstigt.

Praxishinweise

Sind mit der Entscheidung nun sämtliche Verrichtungen von Arbeitnehmern auf dem Betriebsgelände durch die Unfallversicherung geschützt? Nein!

Das LSG zieht einen Vergleich zu den nach dem BSG versicherten Pausenzeiten im Pausenraum zur Nahrungsaufnahme (vgl. BSG Urteil 22.1.1976 – 2 RU 101/75) und stellt im Urteil selbst heraus, dass es natürlich auch immer noch Grenzen des Versicherungsschutzes gibt. Die eigentlich eigenwirtschaftliche Tätigkeit des „Luftschnappens“ wurde vom LSG nur deswegen noch der versicherten Tätigkeit zugerechnet, da die Pause dem Erhalt der Arbeitskraft dient und in einem extra dafür vorgesehenen Pausenbereich verrichtet wurde.

Entsprechend unterliegen rein eigenwirtschaftliche Verrichtungen ohne „Erholungsbezug“ nicht dem Schutz der Unfallversicherung (etwa, wenn ein Mitarbeiter den privaten PKW auf der Hebebühne des Arbeitgebers aufbockt, um einen Check durchzuführen). Auch solche Handlungen, die durch eine eindeutige Zäsur eigenwirtschaftlich sind, unterfallen nicht dem Versicherungsschutz der Unfallversicherung. So hatte bspw. ein Arbeitnehmer, der nach einem Handgemenge wegen einer zugeparkten Werkszufahrt Verletzungen davongetragen hatte, versucht diese als Arbeitsunfall geltend zu machen, was das SG Berlin ablehnte (vgl. SG Berlin, Urteil 16.2.23 – S 98 U 50/21).

Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, da höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob der Versicherungsschutz nur am Arbeitsplatz oder auch weit entfernt von diesem bestehe, wenn der Arbeitnehmer eine zulässige Pause mache. Insoweit gilt es abzuwarten, ob die Ausdehnung des Versicherungsschutzes durch das Bundessozialgericht „gehalten“ wird, sofern die klagende Berufsgenossenschaft Revision einlegt.

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