Update Arbeitsrecht März 2024
Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes: Neuregelungen zur Erwerbsmigration nach Deutschland
Der Fachkräftemangel ist als omnipräsentes Thema bereits seit längerem in aller Munde. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in fast allen Wirtschaftsbranchen der stetig steigende Bedarf und das gleichzeitig nur geringe Angebot an qualifizierten Fachkräften spürbar ist. Viele Studien belegen dies und bescheinigen Deutschland bereits jetzt einen Mangel von über einer halben Million Fachkräften. Die Zahl der offenen Stellen lag nach Aussage der Bundesregierung 2022 sogar bei knapp 2 Millionen. Mit Blick auf die steigende Tendenz besteht Konsens darüber, dass dem Fachkräftemangel nur durch Gewinnung zusätzlicher ausländischer Fachkräfte begegnet werden kann.
Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in 2020
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und Anreize und Erleichterungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu schaffen, ist bereits 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten. Dieses sah schon diverse Erleichterungen für die Zuwanderung von Fachkräften vor. Hierzu zählte zum einen die Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Personen mit anerkannter Berufsausbildung, die den deutschen Arbeitsmarkt insbesondere auch für weniger qualifizierte Fachkräfte attraktiver machen sollte. Zum anderen wurde die Vorrangprüfung weitgehend gestrichen, nach der bislang vorrangig geprüft wurde, ob andere Arbeitnehmer aus Deutschland oder der EU für die zu besetzende Arbeitsstelle verfügbar sind.
Da die Erwartungen an das Gesetz nicht erfüllt wurden, hat der Bundestag am 23.06.2023 eine Gesetzesreform beschlossen, dessen Regelungen seit November 2023 nach und nach in Kraft treten, um den Behörden ausreichend Zeit für die Umsetzung zu geben. Das neue Gesetz soll die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland nach Deutschland erleichtern und deutlich attraktiver machen. Am 01.03.2024 ist nun die zweite Stufe der Gesetzesreform in Kraft getreten.
Was gilt bisher seit November 2023?
Im Kern zielt auch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes weiterhin auf die Gewinnung „fertiger“ Fachkräfte ab. Im November 2023 wurden hierzu bereits folgende Neuerungen eingeführt:
- Mit der neu gestalteten „Blauen Karte EU“ gem. § 18g AufenthG (Aufenthaltstitel für Fachkräfte mit Hochschulabschluss aus Drittstaaten) wurden die Aufenthaltserlaubnisse für Drittstaatsangehörige mit einem deutschen oder einem in Deutschland anerkannten Abschluss verbessert. Hierzu wurde etwa die Mindestverdienstgrenze für die Erteilung der Blue Card gesenkt. Auch Fachkräfte ohne Hochschulabschluss können nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei entsprechender Berufserfahrung) eine Blue Card erhalten.
- Außerdem wurde zudem für ausländische Fachkräfte mit anerkannter Qualifikation die Beschränkung (sog. Berufsausübungserlaubnis) aufgehoben, nach der diese nur aufgrund der mit dem Berufsabschluss vermittelten Befähigung arbeiten dürfen. Drittstaatsangehörige mit mindestens einer qualifizierten Berufsausbildung sind damit bei der Jobsuche grundsätzlich nicht mehr auf Beschäftigungen beschränkt, die in Verbindung mit ihrer Ausbildung stehen. Sie können vielmehr auch in nicht-reglementierten Berufen arbeiten, die mit ihrer eigentlichen Qualifikation nichts oder wenig zu tun haben.
- Berufskraftfahrer aus Drittstaaten haben die Möglichkeit, auch ohne Berufsausbildung ein Beschäftigungsvisum für Deutschland zu beantragen. Hierzu wurde eine vereinfachte Zustimmungserteilung der Bundesagentur für Arbeit für die Beschäftigung eingeführt.
- Schließlich wurde die ursprünglich bis Ende 2023 befristete Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 der BeschV), nach der Angehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien einen Arbeitsmarktzugang in Deutschland für jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen erhalten, entfristet.
Welche Neuerungen gelten seit März 2024?
Am 01.03.2024 ist nunmehr die zweite Stufe des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neuregelungen sollen die vor allem Gewinnung von Fachkräften mit Berufserfahrung aus Drittstaaten fördern. Zudem soll – unabhängig von der Qualifikation – eine kurzzeitige Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in Branchen mit großem Bedarf ermöglicht werden. Konkret sind folgende Neuerungen zu erwähnen:
- Es wurden sog. Anerkennungspartnerschaften eingeführt. Ausländische Fachkräfte mit Berufserfahrung aus Drittstaaten dürfen künftig mit diesem neuen Aufenthaltstitel in allen nicht-reglementierten Berufen in Deutschland arbeiten, auch ohne dass ihr Abschluss in Deutschland formal anerkannt ist. Das Anerkennungsverfahren kann vielmehr mit Unterstützung des Arbeitgebers auch erst nach der Einreise in Deutschland durchführt werden, während zeitgleich bereits eine Beschäftigung ausübt werden kann. Voraussetzung für eine Anerkennungspartnerschaft sind neben einer Vereinbarung mit dem potenziellen Arbeitgeber mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, ein im Herkunftsland staatlich anerkannter Berufsabschluss mit mindestens zweijähriger Ausbildungsdauer und Deutschkenntnisse (A2).
- Um auf schwankenden Personalbedarf besser reagieren zu können, wird es Unternehmen in Deutschland zudem erleichtert, Fachkräfte aus Drittstaaten, unabhängig von ihrer Qualifikation, befristet einstellen zu können. Ein Studium oder eine Berufsausbildung sind auf Seiten der Saisonkräfte dafür also nicht erforderlich. Für diesen Arbeitsmarktzugang kann die Bundesagentur für Arbeit ein bedarfsorientiertes Kontingent festlegen.
- Schließlich soll qualifizierten Pflegehilfskräften aus Drittstaaten der Arbeitsmarktzugang erleichtert werden. Voraussetzung für eine Beschäftigung ist, dass die Ausbildung zur Pflegehilfskraft in Deutschland erworben oder anerkannt ist.
Fazit und Ausblick
Ob die Neuregelungen des erweiterten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die erhoffte (Sog-)Wirkung erzielen, bleibt abzuwarten. Da aber insbesondere das langwierige Anerkennungsverfahren in der Praxis oft eine schwierige bürokratische Hürde im Recruiting Prozess darstellte, ist die neue Anerkennungspartnerschaft aus Sicht vieler Unternehmen sehr zu begrüßen und könnte tatsächlich eine neue Möglichkeit darstellen, die Personalengpässe vieler Branchen zu mildern.
Weitere Regelungen treten ab Juni 2024 in Kraft. Hierzu zählt unter anderem die sog. Chancenkarte zur Jobsuche, mit der sich Bewerber ein Jahr lang in Deutschland aufhalten dürfen und auch ohne langwieriges Anerkennungsverfahren arbeiten können. Voraussetzung ist eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder ein Hochschulabschluss sowie einfache Deutsch-(A1) oder Englischkenntnisse (B2).
Unabhängig von den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten Unternehmen mit Blick auf Nachwuchsrecruiting stets auch die Potenziale einer digitalisierten Arbeitswelt und von Matrixstrukturen prüfen. So kann es unter Umständen auch eine gute Option sein, Fachkräfte ausschließlich im Ausland zu beschäftigen (z.B. über das Modell Employer of Record) und so erhebliche Wartezeiten bei den Konsulaten und langwierige Prozesse bei den (noch immer) personell unterbesetzten Ausländerbehörden zu vermeiden.