03.05.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juli 2014

Rentenversicherungspflicht von Syndikusanwälten

BSG, 3.5.2014, B 5 RE 3/14 u. a. Medieninformation Nr. 9/14, Terminbericht Nr. 14/14

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass Unternehmensanwälte grundsätzlich nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden können.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 3. April 2014 in drei Revisionsverfahren über die Frage entschieden, ob abhängig beschäftigte Rechtsanwälte (sog. „Syndikusanwälte“) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sind. Zu diesen Urteilen liegen bisher lediglich die Medieninformation und der (ausführlichere) Terminbericht des BSG vor, die vollständigen Entscheidungsgründe stehen noch aus.

DRV Bund: Vier-Kriterien-Theorie

Bislang hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) Syndikusanwälte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wenn sie im Unternehmen oder Verband rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig waren (sog. „Vier-Kriterien-Theorie“).

BSG: Doppelberufstheorie

Das BSG hat nun mit Urteilen vom 3. April 2014 die bisherige Praxis der DRV Bund verworfen und ein Befreiungsrecht von Syndikusanwälten grundsätzlich verneint. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidungen ist die Frage, ob die Tätigkeit als angestellter Syndikus eine befreiungsfähige Tätigkeit als „Rechtsanwalt“ ist. Die vier von der DRV Bund aufgestellten Kriterien zur Überprüfung anwaltlicher Tätigkeit im Unternehmen haben aus Sicht des BSG keine Relevanz. Wer eine weisungsgebundene Tätigkeit ausübt, könne nicht Rechtsanwalt sein, so das BSG.  Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (sog. „Doppelberufstheorie“).

Vertrauensschutz nur bei aktuellem Befreiungsbescheid

Ausweislich des vorliegenden Terminberichts genießen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung – bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde – Bestandsschutz. Sie bleiben – solange nicht ein Arbeitgeber- oder wesentlicher Tätigkeitswechsel erfolgt – weiterhin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Wer jedoch für seine aktuell ausgeübte Tätigkeit keinen Befreiungsbescheid vorliegen hat, der kann sich fortan auch nicht mehr befreien lassen.

Folgen für betroffene Syndikusanwälte

Für Syndikusanwälte bedeutet die geänderte Rechtslage, dass sie doppelt beitragspflichtig sind. Wegen ihrer abhängigen Beschäftigung im Unternehmen sind sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Gleichzeitig sind sie aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sowohl in der jeweiligen Rechtsanwaltskammer als auch im jeweiligen berufsständischen Versorgungswerk Pflichtmitglieder. Künftige Tätigkeits- oder Arbeitgeberwechsel müssen wegen ihrer sozialrechtlichen Folgen wohldurchdacht sein.

Folgen für Arbeitgeber

Auf Seiten der Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob sie für ihre Syndikusanwälte nunmehr Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten haben und im Gegenzug ihre Zuschüsse zum Beitrag an das Versorgungswerk einstellen können. Gegebenenfalls sind auch nachträgliche Beiträge an die DRV Bund zu entrichten, möglicherweise mit Säumniszuschlägen. Denn Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist der Arbeitgeber, so dass er allein zur Nachzahlung herangezogen wird. Die Beitragsansprüche verjähren erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Somit kann das finanzielle Gesamtrisiko pro Mitarbeiter bei deutlich über EUR 50.000 liegen. Es stellt sich außerdem die Frage, inwiefern Arbeitgeber ihre Beitragszuschüsse zum Versorgungswerk rückabwickeln können, die sie in der irrigen Annahme einer wirksamen Befreiung des Syndikus vorgenommen haben. Der Rückforderungsanspruch gegen das Versorgungswerk dürfte jedoch nur dem Arbeitnehmer zustehen. Der Arbeitgeber muss sich bezüglich der Erstattung an seinen Arbeitnehmer wenden.

Fazit

Gegen das vielbeachtete Grundsatzurteil des BSG ist Verfassungsbeschwerde angekündigt. Vielfach wird das der Entscheidung zugrundeliegende Berufsbild des Rechtsanwalts kritisiert und eine gesetzliche Klarstellung für Syndikusanwälte in der Bundesrechtsanwaltsordnung gefordert. Die beim Deutschen Bundestag hierzu erhobene EPetition Nr. 52222 bezüglich der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte ist an dem fehlenden Quorum von 50.000 Mitunterzeichnern gescheitert. Für Syndikusanwälte und Unternehmen hat die Entscheidung des BSG weitreichende wirtschaftliche Folgen. Sie behindert den Tätigkeitswechsel von Anwälten und  führt zum Bruch von Versorgungsbiographien. Es bleibt zu hoffen, dass die Urteile zeitnah abgesetzt und veröffentlicht werden, um insbesondere die Rechtsunsicherheit bezüglich des zu gewährenden Vertrauensschutzes zu beseitigen.

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