Update Compliance 13/2016
Staatsanwaltschaft beantragt 1 Mio. Euro Unternehmensgeldbuße wegen Vertriebs einer umsatzmanipulierenden Software
Ende Juni 2016 hat die Staatsanwaltschaft Mannheim bei der Wirtschaftskammer des Landgerichts Mannheim beantragt, gegen zwei Softwareunternehmen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung Unternehmensgeldbußen in Höhe von EUR 850.000,00 bzw. EUR 150.000,00 festzusetzen. Der jüngst veröffentlichte Antrag zeigt, dass die Sanktionierung von Unternehmen bei Straftaten ihrer Leitungspersonen nicht nur theoretisch möglich, sondern auch tatsächlich praktiziert wird. Dagegen hilft nur ein Compliance-System, mit dem Mitarbeiterstraftaten zumindest erschwert werden.
Folgender Fall liegt dem Antrag der Staatsanwaltschaft zugrunde: Den Softwareunternehmen wird vorgeworfen, ein besonders programmiertes Warenwirtschaftssystem vertrieben zu haben. Dieses Programm soll einen speziellen „Softwareschlüssel“ nutzen, mit dessen Hilfe es den Anwendern, in der Regel Händler, möglich gewesen sei, die erfassten Umsätze über ihr Kassensystem niedriger als diese tatsächlich waren darzustellen. Eine unbekannte Anzahl von Händlern soll hierdurch in den Jahren 2007 bis 2010 in der Lage gewesen sein, gegenüber dem Fiskus unzutreffende Angaben über ihre Einnahmen zu machen. Ziel dieser falschen Angaben war es, Steuern zu hinterziehen, wobei der entstandene Steuerschaden nicht näher beziffert werden konnte.
Nicht nur gegen die einzelnen Händler, sondern auch gegen die Verantwortlichen der Softwareunternehmen sind die Ermittlungen bei den örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden aufgenommen worden. Den Verantwortlichen der beiden Softwareunternehmen wird seitens der Staatsanwaltschaft Mannheim vorgeworfen, das Bereitstellen dieser speziellen Programmfunktion durch Mitarbeiter des Unternehmens zumindest gebilligt zu haben. Der Vorwurf gegen die Verantwortlichen ist Anknüpfungspunkt für die jetzt beantragte Unternehmensgeldbuße.
Praxishinweis: § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) sieht vor, dass Behörden und Gerichte gegen Unternehmen Geldbußen verhängen können, wenn Leitungspersonen des Unternehmens eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen und dabei Pflichten verletzen, die das Unternehmen als solches treffen, oder durch die das Unternehmen bereichert wurde oder werden sollte.
Auch die Verletzung von Aufsichtspflichten bzw. deren sorgfaltswidrige Ausübung kann eine Pflichtverletzung im Sinne von § 30 OWiG begründen (§ 130 OWiG). Pro Einzelfall kann diese sog. Verbandsgeldbuße bis zu EUR 10 Mio. betragen; im Kartell- und Kapitalmarktrecht kann sie aufgrund spezieller gesetzlicher Regeln sogar höher ausfallen. Durch die Geldbuße soll der Gewinn abgeschöpft werden, den das Unternehmen durch die Tat generiert hat – zum sog. „Sanktionsteil“ der Verbandsgeldbuße kommt also noch der sog. „Abschöpfungsteil“ (vgl. §§ 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG).
Die Verhängung der Verbandsgeldbuße setzt eine strafbare oder ordnungswidrige Pflichtverletzung einer Leitungsperson voraus. Diese kann in einer Aufsichtspflichtverletzung gegenüber Mitarbeitern des Unternehmens liegen, durch die Mitarbeiterverfehlungen ermöglicht oder erleichtert wurden. Wer eine Verbandsgeldbuße wegen einer Aufsichtspflichtverletzung vermeiden will, muss also Compliance-Systeme einrichten, die Mitarbeiterstraftaten zumindest erschweren. Geschehen sie doch, sind die Verteidigungschancen für das Unternehmen größer, wenn es ein an sich funktionierendes Compliance-System vorweisen kann.
Heuking Kühn Lüer Wojtek verfügt über ausgewiesene Expertise im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Wir beraten und verteidigen Unternehmen wie Führungskräfte in allen strafrechtlichen Fragestellungen und Situationen – präventiv, aber auch in der Krise. Zudem unterstützen wir bei der Einrichtung und Optimierung von Compliance Management-Systemen und führen interne Ermittlungen im Verdachtsfall durch.