zuerst erschienen in Compliance Business im Juni 2015
Stellschrauben neu justieren
Blickpunkt Korruptionsstrafrecht: Die geplanten Änderungen erfordern Anpassungen der Anti Bribery Compliance
Eine grundlegende Umgestaltung des deutschen Korruptionsstrafrechts steht an. Teilweise erfordern EU-Vorgaben eine Anpassung, teilweise werden im Bereich des Medizinstrafrechts erkannte Regelungslücken beseitigt. Die geplanten Änderungen betreffen im Wesentlichen drei Bereiche:
- Im Bereich der Korruption im geschäftlichen Verkehr sollen erkaufte Pflichtverstöße gegen den Arbeitgeber zukünftig unter Strafe stehen.
- Im Bereich der Amtsträgerkorruption soll der "europäische Amtsträger" als tauglicher Bestechungsadressat eingeführt werden.
- Schließlich soll ein neuer Korruptionstatbestand für Angehörige von Heilberufen eingeführt werden.
Einführung eines "Geschäftsherrenmodells" im Rahmen der Korruption in der Privatwirtschaft
Wer in der Privatwirtschaft zur Auftragserlangung "schmiert" oder - spiegelbildlich dazu - Vorteile dafür annimmt, dass er den Zuschlag einem bestimmten Bewerber erteilt, wird nach § 299 StGB bestraft. Bestochen werden können Angestellte und Beauftragte von Geschäftsbetrieben, die über die Auftragsvergabe entscheiden. Hierunter fallen neben den Geschäftsführungsorganen in der Regel diejenigen Personen, die für ihren Arbeitgeber Waren und Dienstleistungen "einkaufen". Nicht erfasst ist der Betriebsinhaber. (So viel vorab: Diese vielkritisierte Regelungslücke will der Gesetzgeber nicht schließen.) § 299 StGB dient primär dem Schutz des Wettbewerbs: Unternehmen sollen ihre Entscheidungen nach den Regeln des freien Marktes treffen und nicht aufgrund einer unlauteren, sprich: sachfremden Beeinflussung durch Dritte. Auch der ausländische Wettbewerb ist umfasst {§ 299 Abs. 3 StGB). Daneben ist das Vermögen des Geschäftsherrn geschützt, dessen Mitarbeiter sich "schmieren" lassen: Denn das Schmiergeld, das der Mitarbeiter dafür kassiert, dass er den Auftrag erteilt, erhöht regelmäßig den Einkaufspreis und schädigt das Unternehmen. Aktuell erfasst die Vorschrift des § 299 StGB also nur solche Fälle, in denen die Bestechung dazu dient, die Auswahlentscheidungen beim Bezug von Waren und Dienstleistungen im Wettbewerb auf unsachliche Weise - nämlich durch die Gewährung von Vorteilen - zu beeinflussen. Ein aktueller Regierungsentwurf plant die Einführung einer weiteren Tatvariante: Zukünftig soll eine Bestechung auch dann strafbar sein, wenn sie dazu dient, dass der Bestochene den Interessen seines "Geschäftsherrn" zuwiderhandelt. Das bedeutet- so liest sich die geplante Norm jedenfalls - , dass zukünftig nicht nur derjenige strafbar ist, der sich eine bestimmte Auswahlentscheidung beim Warenbezug abkaufen lässt, sondern auch derjenige, der dafür bezahlt wird, in jedweder sonstiger Weise seine Arbeitnehmerpflichten zu verletzen. Dieser Anwendungsbereich wäre extrem weit.
Experten lehnen die neue Tatvariante ab
Die Einführung eines solchen "Geschäftsherrenmodells" stößt bei Experten überwiegend auf Ablehnung und Skepsis. Bei einer Anhörung im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz am og.o6.2015 äußerten sich auch Abgeordnete gegenüber der geplanten Ausweitung der Norm kritisch. Gegen die neue Tatvariante lässt sich denn auch mit guten Gründen einwenden, dass ihr Wortlaut zu unbestimmt (§ 1 StGB) und damit verfassungswidrig (Artikel102 Abs. 3 GG) ist. Zudem führt das Abstellen auf die Pflichtverletzung, die durch die jeweiligen Unternehmen definiert wird, dazu, dass Private über die Strafbarkeit eines Handelns entscheiden.
Macht man sich die Mühe, die Begründung des Regierungsentwurfs zu lesen, erkennt man, dass der Gesetzgeber diese Gedanken auch hatte: Er will die neue Variante auf Tathandlungen begrenzt wissen, die in Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen stehen. Die Vorschrift wäre damit- entgegen dem weiten Wortlaut- vor allem auf die bislang nicht erfassten Sachverhalte zugeschnitten, in denen es gar keinen Wettbewerb gibt. Auf rein interne Betriebsstörungen, Complianceverstöße und die Verletzung sonstiger Interessen des Geschäftsherrn wäre sie nicht anwendbar. Es wäre gut, wenn der Gesetzgeber dies nicht nur in den Motiven niederlegen würde, sondern auch im Wortlaut des Tatbestands selbst.
Einführung des "europäischen Amtsträgers"
Die §§ 331 ff. StGB regeln die Korruptionsvorschriften für Amtsträger und gegenüber Amtsträgern. Die §§ 331 und 333 StGB stellen die Vorteilsannahme sowie die Vorteilsgewährung unter Strafe. Die Vorschriften sollen bereits den Anschein verhindern, dass hoheitliche Entscheidungen käuflich seien. Eine bestimmte Diensthandlung muss der Amtsträger sich nicht "abkaufen" lassen - erst recht keine Pflichtverletzung. Es genügt also das bloße "Anfüttern", und die Grenzen hierfür sind niedrig: Der berühmte hessische "Kugelschreibererlass" verbietet Beamten schon die Annahme von Kleinstgeschenken; landläufig wird die Grenze zwischen rechtlich zulässigen Vorteilen und korruptiven Geschenken bei 35 bis 40 Euro gesehen. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an; die Rechtsprechung ist vielgestaltig, was bei der Schaffung von Compliancerichtlinien erhebliche Mühe bereitet. Wird der korruptive Vorteil als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung gewährt, liegt Bestechung oder auf der Seite des Amtsträgers Bestechlichkeit vor(§§ 332,334 f StGB).
Anpassungsbedarf für die Compliance ergibt sich aus der geplanten Erweiterung des Adressatenkreises für die Amtskorruptionsdelikte:
Der Amtsträgerbegriff ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert; er erfasst im Wesentlichen (aber nicht nur) Beamte und Richter sowie sonst im Bereich der öffentlichen Verwaltung tätige Personen. Erfasst sind unter Umständen auch Mitarbeiter (teil-)kommunaler Betriebe, auch wenn sie in Privatrechtsform betrieben werden. Das gilt unter Umständen auch für ansonsten nicht als Amtsträger zu qualifizierende Ratsmitglieder, die Aufsichtsratsmandate in öffentlichen Unternehmen wahrnehmen. Im internationalen Bereich werden die§§ 331 ff. StGB- die derzeit nur für deutsche Amtsträger gelten- flankiert durch das Europäische Bestechungsgesetz (EUBestG) und das Internationale Bestechungsgesetz (lnt BestG). Art. 2 § 1 EUBestG stellt Amtsträger und Richter von EU Mitgliedstaaten deutschen Amtsträgern weitestgehend gleich, aber nur hinsichtlich der Bestechlichkeit und Bestechung. Das lntBestG gilt für Amtsträger des außereuropäischen Auslands und von internationalen Organisationen und Gerichtshöfen- ebenfalls nur hinsichtlich der Bestechung gem. § 334 StGB.
Die wichtigste Neuerung der Amtsträgerkorruption besteht in der Einführung des "europäischen Amtsträgers" als tauglichem Korruptionsadressaten. ln einem neuen § 11 Abs.1 Nua StGB definiert sich der europäische Amtsträger als a) Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der EU, b) Beamter oder sonstiger Bediensteter der EU oder einer auf der Grundlage des Rechts der EU geschaffenen Einrichtung oder c) mit der Wahrnehmung von Aufgaben der EU oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der EU geschaffenen Einrichtung Beauftragter. Diese Personengruppe soll den deutschen Amtsträgern vollständig gleichgestellt werden - insbesondere auch hinsichtlich der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Gegenüber Amtsträgern ausländischer Staaten - gleich ob europäischer oder außereuropäischer- wird weiterhin nur die Beeinflussung bei zukünftigen rechtswidrigen Diensthandlungen strafbar sein.
Einführung eines Korruptionstatbestands für Angehörige von Heilberufen
Im Jahr 2012 hat der Große Strafsenat des BGH entschieden, dass Kassenärzte, die sich eine bestimmte Verschreibungspraxis "abkaufen" lassen, straflos bleiben (Az. GSSt 2/11). Es war absehbar, dass ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen folgen würde, denn das genannte, bislang straflos bleibendeVerhalten wurde nahezu einhellig als strafwürdig erkannt. Nun hat der Gesetzgeber reagiert. Die Pharmabranche muss sich darauf einrichten. ihre Compliance an einen neuen Straftatbestand anzupassen.
Ziel des Entwurfs eines neuen § 299a StGB ist die Sanktionierung von Angehörigen von Heilberufen, die sich für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln etc. "schmieren" lassen. Zudem soll bestraft werden, wer sich für die Verletzung einer heilmittelberuflichen Pflicht bezahlen lässt. (Spiegelbild lich sollen naturgemäß auch diejenigen bestraft werden, die den Vorteil gewähren.) Die erste Tatvariante zielt auf den Schutz des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen ab, die zweite hat das "Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen" im Blick.
Erstarkt der Entwurf zum Gesetz, werden Kooperationen im Gesundheitswesen jedweder Art zu einem strafrechtlichen Risiko. Dieses Risiko muss sich in der Compliancestruktur der potentiell Betroffenen widerspiegeln. Besondere Anforderungen werden sich hier an die Definition dessen ergeben, was "noch" erlaubt ist. Wie auch bei den sonstigen Korruptionsdelikten wird sich nach Inkrafttreten des § 299a StGB die Frage stellen, welche Grenzwerte zwischen straflosen und strafbaren Zuwendungen entscheiden. Der Verfasser plädiert für eine Anlehnung dieser Grenzen an den privatwirtschaftliehen Bereich: Obwohl Angehörige von Heilberufen zwar Bestandteil des staatlichen Gesundheitssystems sind, dürfen die strengen Grenzen, wie sie im Amtsträgerstrafrecht herrschen, für sie nicht gelten. Denn Angehörige von Heilberufen müssen sich einem Wettbewerb stellen; sie sind damit Teil der privaten Wirtschaft. Hier ist nur derjenige erfolgreich, der seine Bezugsgruppen an sich bindet. Gegenseitige Einladungen, Geschäftsessen, Produktpräsentationen etc. sind hier nicht nur üblicher, sondern notwendiger Bestandteil der zumeist auch unternehmerisch geprägten Tätigkeit der Angehörigen von Heilberufen. Es besteht damit kein Grund, sie genauso zu behandeln wie Beamte. Dies wird die Rechtsprechung konkretisieren müssen. Entsprechendes gilt für das Eingehen von Kooperationen, denen immer ein do ut des zugrunde liegt.
Fazit
Alle vorgestellten Neuregelungen werden derzeit abschließend diskutiert. Es ist anzunehmen, dass sie in der jetzt vorliegenden Fassung in Kraft treten. Betroffene Unternehmen sollten sich darauf einrichten. ihre Compliancestrukturen, insbesondere interne Richtlinien, an die neue Gesetzeslage anzupassen und ihre Mitarbeiter dementsprechend zu sensibilisieren. Eine besondere Aufgabe wird hier sein, angemessene Regeln und Grenzwerte zu finden, ohne dabei auf bestehende Rechtsprechung zurückgreifen zu können.
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