Update Arbeitsrecht März 2021
Tankgutscheine statt Lohn – Reduzierung der Abgaben zur Sozialversicherung
BSG v. 23.02.2021 - B 12 R 21/18 R
Tankgutscheine über einen bestimmten Euro-Betrag und Einnahmen aus der Vermietung von Werbeflächen auf privaten Pkws, die als neue Gehaltsanteile an Stelle des Bruttoarbeitslohns erzielt werden, sind sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt und unterliegen der Beitragspflicht. Dies hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) am 23. Februar 2021 entschieden und damit der Revision eines Rentenversicherungsträgers stattgegeben.
Zu entscheiden hatte das BSG über die Praxis eines nicht tarifgebundenen Unternehmens, den Arbeitnehmern im Rahmen einer sogenannten Nettolohnoptimierung Tankgutscheine zu gewähren und auf der Grundlage von Mietverträgen Entgelte für Werbeflächen auf deren Pkws zu entrichten.
Konkret hatte das betreffende Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern individuelle Bruttoentgeltverzichte bei gleichbleibender Arbeitszeit vereinbart. Die bisherige Bruttovergütung wurde parallel zum neuen Bruttobarlohn als Berechnungsgrundlage für Lohnerhöhungen, Zusatzleistungen und Abfindungen weitergeführt. Gleichzeitig wurden neue Gehaltsanteile in Form der Gewährung von Tankgutscheinen und auf der Grundlage von Mietverträgen die Zahlung von Entgelten für Werbeflächen vereinbart. Bei keinem der Arbeitnehmer betrugen die neuen Gehaltsanteile mehr als 44 Euro monatlich.
Es stand die Frage im Raum, ob diese Zuwendungen als Arbeitslohn einzustufen seien und somit der Beitragspflicht unterliegen würden.
Der Rentenversicherungsträger stufte die Zuwendungen als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt ein und verlangte vom Arbeitgeber eine Nachzahlung der Beiträge.
Nach der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) in Verbindung mit den einkommenssteuerrechtlichen Vorschriften sind solche Zuwendungen nicht als Arbeitsentgelt zu behandeln, wenn diese zusätzlich zum Gehalt entrichtet werden und jeweils unterhalb der steuerrechtlich relevanten Bagatellgrenze von 44 Euro liegen.
Die Vorinstanzen (Sozialgericht München und Bayerisches Landessozialgericht) hatten mit dem betreffenden Unternehmen diese „neuen Gehaltsanteile“ noch als beitragsfrei eingestuft und die Beitragsnachforderungen aufgehoben. Bei den Tankgutscheinen handle es sich um Sachbezüge, welche jedoch außer Ansatz bleiben, da sie bei keinem der Arbeitnehmer die Höhe von 44 Euro monatlich überstiegen hätten. Bei den Zahlungen für Werbeflächen auf den PKW der Arbeitnehmer in Höhe von 21 Euro monatlich handle es sich nicht um Arbeitsentgelt, sondern um Mietzins auf Grundlage einer eigenständigen Vertragsbeziehung. Diesen Ansichten der Vorinstanzen ist das BSG nicht gefolgt.
Entscheidung des Gerichts
Das BSG hat entschieden, dass es sich sowohl bei den Tankgutscheinen als auch bei den Werbeflächenentgelten um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV handelt. Wesentlich für die Entscheidung des BSG war der Umstand, dass die Zuwendungen nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt wurden, sondern die jeweiligen Anteile schlicht ersetzt wurden. So hatten die betreffenden Arbeitnehmer im Gegenzug zu diesen Zuwendungen auf einen Teil ihres Bruttolohnanspruchs verzichtet. Auch blieben weiterhin die bisherigen Bruttolohnbezüge als Berechnungsgrundlage erhalten. Die auf einen bestimmten Betrag begrenzten Tankgutscheine waren dabei als Geldsurrogat einzustufen, welche an die Stelle des wegen dem Verzicht erklärten geringeren Bruttolohn getreten sind. Bei den Tankgutscheinen handle es sich nicht um Sachbezüge, die bei Unterschreitung der steuerlichen Bagatellgrenze beitragsfrei wären.
Die Werbeflächenentgelte wurden ungeachtet der Rechtsnatur ihrer vertraglichen Grundlage „im Zusammenhang“ mit der Beschäftigung erzielt. Auch sie wurden als „neue Gehaltsanteile“ im Gegenzug zum Lohnverzicht vereinbart und damit als Surrogat für den Lohnverzicht nicht „zusätzlich“ gewährt.
Konsequenzen für die Praxis
Vor dem Hintergrund, dass in nicht wenigen Branchen und Unternehmen aktuell Kosteneinsparungen auf der Tagesordnung stehen, erfreuen sich lohnsteuerlich (und sozialversicherungsrechtlich) begünstigte bzw. befreite Gehaltsbestandteile – unabhängig von der Größe eines Unternehmens – großer Beliebtheit. Arbeitgeber, die derartige Gehaltsbestandteile implementieren möchten, sollten sich jedoch frühzeitig Gedanken zu deren konkreter Ausgestaltung machen. Tankgutscheine und Werbeeinnahmen, die als neue Gehaltsanteile an Stelle des Bruttoarbeitslohns erzielt werden, führen nach dem Urteil des BSG nicht zum gewünschten Erfolg. Für Arbeitgeber ist es daher wichtig, sich über die weiteren Entwicklungen im Bereich der Gestaltungsmöglichkeiten zur Lohn- und Kostenoptimierung zu informieren.