04.06.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juni 2015

Urlaub bei Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen

BAG, Urteil vom 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F)

Kann ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vor seinem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen Urlaub nicht nehmen, darf die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht für das gesamte Kalenderjahr verhältnismäßig gekürzt werden.

Dabei handelte es sich bisher um Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das Argument, der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer solchen Kürzung nicht vermindert, weil er – in Urlaubswochen ausgedrückt – unverändert bleibe, hatte dieser unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH hat das BAG nunmehr seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Urlaubstage im Falle einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit grundsätzlich umzurechnen waren.

Sachverhalt

Das BAG hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der klagende Arbeitnehmer war bis zum 14. Juli 2010 in Vollzeit beschäftigt. Zum 15. Juli 2010 wechselte er in eine Teilzeittätigkeit und arbeitete seitdem an vier statt an fünf Tagen in der Woche. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Bei einer Vollzeitstelle gewährt § 26 Abs. 1 S. 2 TVöD-AT einem Arbeitnehmer 30 Urlaubstage pro Jahr.

Der Arbeitgeber war der Ansicht, nach der Reduzierung der Arbeitszeit habe der Arbeitnehmer nur noch Anspruch auf 4/5 des vollen Urlaubsanspruchs und damit auf 24 Urlaubstage. Da der Arbeitnehmer nunmehr an weniger Tagen in der Woche beschäftigt sei, erhalte er in Urlaubswochen ausgedrückt das gleiche Maß an Freizeit. Der Arbeitnehmer dagegen meinte, man müsse den Urlaub für die Vollzeit- und Teilzeitmonate getrennt berechnen. Dies ergäbe 27 Urlaubstage (15 für das erste, 12 für das zweite Halbjahr).

Einmal erarbeiteter Urlaub bleibt erhalten

Während das Arbeitsgericht feststellte, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf drei weitere Urlaubstage, wies das Berufungsgericht die Klage des Arbeitnehmers auf mehr Urlaubstage ab (LAG Hessen, Urt. v. 30.10.2012 – 13 Sa 590/12). Seine hiergegen gerichtete Revision hatte vor dem BAG indes Erfolg: Zwar regele § 26 Abs. 1 S. 3 TVöD-AT, dass sich der Urlaubsanspruch entsprechend vermindert, wenn die wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche reduziert wird. Diese Regelung sei jedoch unwirksam, soweit sie die Zahl der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindere. Grund hierfür sei ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften. Der einmal erarbeitete Urlaub im ersten Halbjahr dürfe nicht rückwirkend entfallen, weil die Arbeitszeit reduziert wurde.

Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung

Das BAG ändert mit diesem Urteil seine Rechtsprechung und setzt die aktuelle Rechtsprechung des EuGH um. Der EuGH hatte im Jahre 2010 entschieden, der Übergang eines Arbeitnehmers von einer Vollzeit- zu einer Teilzeittätigkeit dürfe nicht dazu führen, dass der Urlaubsanspruch aus der Zeit der Vollzeitbeschäftigung nachträglich (in Tagen ausgedrückt) reduziert werde. Ebenso dürfe das für diese Urlaubstage zu zahlende Urlaubsentgelt nicht reduziert werden (EuGH, Urt. v. 22.4.2010 - C-486/08).

Die Entscheidung des EuGH erging zwar nicht – wie der BAG Fall – zu einer tarifvertraglichen Urlaubsregelung, sondern zum öffentlichen Dienstrecht des österreichischen Bundeslandes Tirol. Allerdings hat der EuGH seine Erwägungen allgemein formuliert. Das BAG hat sie folgerichtig auf die hier vorliegenden tarifvertraglichen Regelungen übertragen. Daran wird der Grundsatzcharakter der Entscheidung deutlich: Sie stellt klar, dass einem Arbeitnehmer ein einmal „verdienter“ Urlaubsanspruch nicht mehr rückwirkend durch Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit entzogen werden kann. Die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit wirkt sich immer nur für die Zukunft aus. An der bisherigen BAG-Rechtsprechung, die dies anders bewertete (etwa Urt. v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97), wird damit nicht mehr festgehalten.

Fazit

Die Entscheidung des BAG zeigt einmal mehr den Einfluss des Europarechts auf die deutsche Rechtsprechung. Arbeitgeber müssen beachten, dass der Urlaubsanspruch nach Tagen berechnet wird. Welches Maß an Freizeit für den Arbeitnehmer praktisch daraus folgt, ist dagegen irrelevant.

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