30.07.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2019

Urlaubsstaffelung nach Lebensalter verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des AGG

BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 161/18

Eine Urlaubsstaffelung, nach der Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein um mindestens drei Tage geringerer Urlaubsanspruch eingeräumt wird als älteren Arbeitnehmern, verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dem BAG zufolge führt eine solche unmittelbare Benachteiligung im Wege einer „Anpassung nach oben“ dazu, dass die benachteiligten Arbeitnehmer bereits vor Vollendung ihres 50. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auch auf diese zusätzlichen Urlaubstage haben.

Der 1959 geborene Kläger war seit 1991 beim Land Hessen als Lehrer für Pflegeberufe beschäftigt. Die ursprünglich zwischen den Parteien anzuwendende Urlaubsverordnung für die Beamten im Land Hessen (HUrlVO) sah eine Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter vor. Hiernach hatten Beamte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf 33 Urlaubstage. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Sie schloss mit der Gewerkschaft ver.di den „Manteltarifvertrag Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH“ (MTV UKGM), der seinerseits hinsichtlich des Erholungsurlaubs eine Urlaubsstaffelung nach der Betriebszugehörigkeit vorsah. Ferner enthielt der MTV UKGM eine Besitzstandsklausel, wonach Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MTV UKGM einen höheren Urlaubsanspruch u.a. nach der HUrlVO hatten, dieser Urlaubsanspruch auch weiterhin gewährt wurde.

Nachdem der Kläger in den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils drei weitere Urlaubstage erfolglos geltend machte, hat er für die Jahre 2013 bis einschließlich 2016 die Gewährung von jeweils drei Tagen Ersatzurlaub verlangt. Er vertrat die Rechtsauffassung, die Staffelung des Urlaubsanspruchs nach dem Lebensalter in der HUrlVO diskriminiere ihn wegen seines Lebensalters. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht (LAG) zugelassenen Revision begehrte die Beklagte die Abweisung der Klage – ohne Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch zu, der auf die Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist. Die in der HUrlVO enthaltene Urlaubsstaffelung, die solchen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, einen drei Tage geringeren Urlaubsanspruch einräumt als älteren Arbeitnehmern, enthalte eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG und sei daher nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

Diese Ungleichbehandlung sei auch nicht gerechtfertigt. Dem BAG zufolge hat die Beklagte nach Maßgabe des § 10 AGG nicht substantiiert dargelegt, dass die sich aus der Urlaubsstaffelung ergebende Ungleichbehandlung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Der von der Beklagten behauptete Erfahrungssatz, in Folge einer Abnahme der physischen Belastbarkeit sei bei Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, generell, d.h. beschäftigungsgruppenübergreifend, von einem erhöhten Urlaubsbedürfnis und einer längeren Regenerationszeit auszugehen, existiere dem BAG nach in dieser Allgemeinheit nicht. Die Beklagte habe nicht dargetan, aufgrund welcher konkreten Umstände anzunehmen ist, dass bei sämtlichen tarifunterworfenen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von ihrer ausgeübten Tätigkeit ein gegenüber anderen Arbeitnehmern erhöhtes Erholungsbedürfnis vorliegen soll. Die pauschalen Verweisungen der Beklagten seien insoweit unzureichend.

In der Folge seien die streitgegenständlichen Bestimmungen – im Wege einer „Anpassung nach oben„ – auf den Kläger so anzuwenden, als hätte er bereits bei Inkrafttreten des MTV UKGM das 50. Lebensjahr vollendet gehabt, sodass ein höherer Urlaubsanspruch begründet wird.

Praxishinweis

Das BAG führt seine bisherige Rechtsprechung zur Staffelung des Erholungsurlaubes nach dem Lebensalter (BAG 12.4.2016 – 9 AZR 659/14) konsequent fort und sorgt somit für ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit auch für die Praxis. Festzuhalten bleibt, dass nur ein reichlich substantiierter Vortrag für die Darlegung einer zulässigen Ungleichbehandlung wegen des Alters nach Maßgabe des § 10 AGG ausreichend ist.

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