Update Arbeitsrecht Nr. 6
Vergütungspflicht von Reisezeiten bei Auslandsentsendung?
Das BAG hat mit Urteil vom 17. Oktober 2018 (Az. 5 AZR 553/17) entschieden, dass die erforderlichen Zeiten für Hin- und Rückreise eines vorübergehend ins Ausland entsendeten Arbeitnehmers wie Arbeit zu vergüten sind.
Der Kläger war bei der Beklagten als Bauleiter auf verschiedenen Baustellen im In- und Ausland tätig. Für die Zeit von ca. 2,5 Monaten war er auf eine Baustelle nach China entsandt. Auf Wunsch des Klägers buchte die Beklagte für die Hin- und Rückreise nach und von China einen Business-Class-Flug mit einem Zwischenstopp in Dubai statt eines Direktfluges in der Economy-Class. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Rahmentarifvertrag des Baugewerbes (RTV-Bau) Anwendung. Dort heißt es in § 7 Nr. 4.3 zur An- und Abreise:
„Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer kostenlos zur Arbeitsstelle zu befördern oder ihm die Fahrtkosten […] zu erstatten. Das gilt auch für den unmittelbaren Wechsel zu einer anderen Arbeitsstelle und für die Rückfahrt zu seiner Wohnung nach Beendigung der Tätigkeit auf der Arbeitsstelle. Im Übrigen gilt Nr. 3.1. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer für die erforderliche Reisezeit Anspruch auf seinen Gesamttarifstundenlohn ohne jeden Zuschlag.“
Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Tage der Hin- und Rückreise eine Vergütung für jeweils 8 Stunden pro Tag.
Der Kläger verlangte von der Beklagten die Vergütung von weiteren 15 Stunden für die Hinreise und von zusätzlichen 22 Stunden für die Rückreise, also insgesamt 37 Stunden.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hatte die Klage abgewiesen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat das Urteil teilweise abgeändert und der Klage überwiegend stattgegeben. Vor dem BAG hat die Revision der Beklagten teilweise Erfolg. Das BAG hat in der Sache jedoch nicht abschließend entscheiden können und deshalb an das LAG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BAG sind im Falle einer Entsendung die Zeiten der Hin- und Rückreise zur Arbeitsstelle im Ausland vom Arbeitgeber zu vergüten. Als Begründung führt das BAG an, dass die Reisen zu einer Arbeitsstelle im Ausland ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen. Das BAG stellt hierbei auf die Zeiten ab, die für die Reise „erforderlich“ sind und nicht auf die tatsächliche Reisezeit. Erforderlich im vorliegenden Fall ist damit grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Direktflug anfällt.
Hierzu fehlt es im vorliegenden Sachverhalt jedoch an ausreichenden Feststellungen des LAG Rheinland-Pfalz zu den tatsächlich erforderlichen Reisezeiten. Das muss das LAG nun nachholen.
Da die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorliegen, bleibt abzuwarten, wie das BAG die Entscheidung im Einzelnen begründet. Es ist davon auszugehen, dass das BAG – ähnlich wie das LAG – auf die Vorschrift des § 7 Nr. 4.3 RTV-Bau abstellen wird. Nach dieser Vorschrift stand dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Vergütungsanspruch für die Reisezeit zu.
Praxishinweis:
In dem vom BAG entschiedenen Sachverhalt lag eine tarifvertragliche Regelung zur Behandlung von Reisezeiten vor. Außerhalb einer Regelung im Tarif- oder Arbeitsvertrag ist auf § 612 BGB abzustellen, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Grundsätzlich sind danach Reisezeiten während der regulären Arbeitszeit zu vergüten, soweit es keine abweichende Vereinbarung ober Üblichkeiten gibt.
Arbeitgeber sollten überlegen, bei der Vergütung zwischen Reise- und herkömmlichen Arbeitszeiten zu differenzieren. So könnten etwa Reisezeiten außerhalb der normalen Arbeitszeiten pauschal abgegolten werden. Hierbei muss vor allem das Transparenzgebot beachtet werden; es muss für den Arbeitnehmer also deutlich sein, welche Reisetätigkeit in welchem Umfang umfasst sein soll.