06.02.2017Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2017

Verstärkung des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Januar 2017

Der Bundestag hat am 1. Dezember 2016 das Bundesteilhabegesetz („BTHG“) in der Fassung der Beschlussempfehlung vom 30. November 2016 (BT-Drs. 18/10523; BT-Drs. 18/9522) beschlossen. Hintergrund dieses Gesetzes ist das am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft getretene Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung („UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK“). Danach ist die Bundesrepublik Deutschland u. a. dazu verpflichtet, die Definition der Behinderung mit denen der UN-BRK in Einklang zu bringen und die Voraussetzungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen. Dieser Aufgabe hat sich die Große Koalition mit dem Erlass des BTHG angenommen.

Das BTHG stärkt die Rechte der Schwerbehindertenvertretung. Diese sind in § 95 SGB IX (ab dem 1. Januar 2018: § 178 SGB IX) niedergelegt. Sie werden bereits ab dem 1. Januar 2017 erhebliche Auswirkungen auf Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer haben.

Bisherige Rechtslage

Nach bisheriger Rechtslage bedurfte die Kündigung eines Schwerbehinderten neben der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG der Zustimmung des Integrationsamts (§ 85 SGB IX). Dagegen war die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung durch den Arbeitgeber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, ihre Durchführung oder Vollziehung war lediglich nach § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bis zur Nachholung der Anhörung auszusetzen. Zudem war das Integrationsamt dazu verpflichtet, vor einer Entscheidung über die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung neben einer Stellungnahme des Betriebsrats und des Update Arbeitsrecht 6. Februar 2017 Verstärkung des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Januar 2017 Prof. Dr. Martin Reufels (Köln) Kerstin Deiters, LL.M. (Köln) zuständigen Arbeitsamtes auch eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung einzuholen (§ 87 Abs. 2 SGBIX).

Neu: Nichtigkeit der Kündigung bei unterbliebener Beteiligung

Dagegen kann einem Schwerbehinderten ab dem 1. Januar 2017 nur noch gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber (i) die Schwerbehindertenvertretung anhört und (ii) die Zustimmung des Integrationsamts einholt und (iii) den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anhört (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bzw. ab dem 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wird die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt, ist die Kündigung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (bzw. ab dem 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam.

Zeitpunkt der Anhörung?

Die Schwerbehindertenvertretung ist über alle Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen betreffen, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und „vor einer Entscheidung“ anzuhören. Das wirft die Folgefrage auf, wann der maßgebliche Zeitpunkt der Beteiligung ist. Sicherheitshalber sollte die Schwerbehindertenvertretung vor einem Antrag an das Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung angehört werden.

Frist zur Stellungnahme?

Ungeklärt ist, wie viel Zeit die Schwerbehindertenvertretung zur Stellungnahme und Erörterung hat. Eine konkrete Frist zur Stellungnahme – wie bei der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG – enthält die gesetzliche Neuregelung nicht. Bis Rechtsprechung hierzu existiert, sollte man davon ausgehen, dass der Schwerbehindertenvertretung genauso viel Zeit zur Stellungnahme einzuräumen ist, wie dem Betriebsrat (d.h. bei einer ordentlichen Kündigung eine Woche und bei einer außerordentlichen Kündigung drei Tage).

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Vor Aussprache der Kündigung eines Schwerbehinderten sind sowohl der Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Dies sollte durch separate Schreiben erfolgen, die allerdings inhaltsgleich sein können, um die ordnungsgemäße Beteiligung zu dokumentieren. Der Schwerbehindertenvertretung sollte dieselbe Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden wie dem Betriebsrat.

Als PDF herunterladen

Ansprechpartner

Sie benutzen aktuell einen veralteten und nicht mehr unterstützten Browser (Internet-Explorer). Um Ihnen die beste Benutzererfahrung zu gewährleisten und mögliche Probleme zu ersparen, empfehlen wir Ihnen einen moderneren Browser zu benutzen.