27.02.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2023

„White Night Ibiza Party“ – Krankfeiern rechtfertigt regelmäßig eine fristlose Kündigung

ArbG Siegburg, Urteil v. 01. Dezember 2022, 5 Ca 1200/22

Nimmt ein Arbeitnehmer an einer „Wild Night Ibiza Party“ teil, obwohl er sich für die entsprechenden zwei Tage bei seinem Arbeitgeber krankmeldet, ist regelmäßig von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann in einem solchen Fall  durch Party-Fotos erschüttert werden.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers.

Die seit 2017 bei dem Arbeitgeber als Gesundheits- und Krankenpflegeassistentin beschäftigte Klägerin war für Samstag und Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Für den Zeitraum der beiden betroffenen Dienste meldete sie sich bei ihrem Arbeitgeber, der Beklagten, krank.

In der Nacht von jenem Samstag auf Sonntag fand eine „White Night Ibiza Party“ statt, auf welcher mehrere Fotos von der feiernden Klägerin geschossen wurden, die sie später in ihrem WhatsApp-Status teilte und die auch auf der Homepage des Partyveranstalters zu finden waren.

Am darauffolgenden Montag ging eine auf diesen Tag datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Onlineanbieter ein. Am darauffolgenden Dienstag ordnete die Beklagte gegenüber der Klägerin an, zukünftig ab dem ersten Tag einer Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.

Ein Zeuge meldete am folgenden Donnerstag schließlich der Personalleitung, dass die Klägerin an der Party teilgenommen habe. Die Beklagte lud die Klägerin zunächst zu einem Gespräch unter Beteiligung der Mitarbeitervertretung zur Klärung des gegen sie bestehenden Verdachts, sie habe eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Die Klägerin nahm diese Gelegenheit nicht wahr. Deshalb gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich schriftlich zu äußern. Darauf antwortete die Klägerin per E-Mail, sie habe in der entsprechenden Nacht eine kurzfristige Besserung ihres Gesundheitszustands erfahren.

Nach Anhörung der Mitarbeitervertretung, die nur der ordentlichen Kündigung zustimmte, sprach die Beklagte am Dienstag zweieinhalb Wochen nach der Party eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung aus.

Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab und erachtete die außerordentliche Kündigung als wirksam.

Die Klägerin habe ihre Erkrankung vorgetäuscht und damit das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin auf den abgebildeten Fotos bester Laune und ersichtlich bester Gesundheit an der Party teilgenommen habe, obwohl sie sich für die entsprechenden Dienste bei der Beklagten arbeitsunfähig gemeldet hatte. Bereits aus diesem Umstand sei der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert.

Bei der Gesamtbewertung dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am Montag nach der Party vom behandelnden Arzt per Videocall in Betreff einer vermeintlichen psychischen Erkrankung der Klägerin ausgestellt wurde. Die Krankheit sei zufällig genau an den Tagen der Partyteilnahme ausgebrochen und dann ohne weitere therapeutische Maßnahmen ausgeheilt. Im Gegensatz dazu hatte die Klägerin zuvor gegenüber einem Zeugen geäußert, sie sei wegen Grippesymptomen arbeitsunfähig gewesen sei. Diese widersprüchlichen Angaben seien insgesamt nicht glaubhaft.

Das Gericht wisse um die praktische Leichtigkeit, sich krankschreiben zu lassen, was die Klägerin vorliegend als Alibi habe nutzen wollen, um feiern gehen zu können. Für diese planvolle Vorgehensweise sprächen auch die Bekundungen der Klägerin auf Instagram im Vorfeld der Party, wonach sie an der Arbeit der Beklagten kein Interesse mehr habe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Praxistipp

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist mit Nachdruck zuzustimmen. Die Entscheidung zeigt nochmals auf, dass Arbeitnehmer, die ihrem Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vortäuschen, nicht nur einen Betrug im Hinblick auf die erschlichene Entgeltfortzahlung begehen, sondern in aller Regel auch außerordentlich gekündigt werden können.

Die Entscheidung bleibt insbesondere auch nach der Umstellung auf elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Anfang des Jahres relevant. Grundsätzlich kommt einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. nach neuem Recht festgestellten Arbeitsunfähigkeit ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann diesen Anschein einer Krankheit allerdings erschüttern, wenn er ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit begründen kann. Wurde der Beweiswert der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit einmal erschüttert, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Das Urteil zeigt in diesem Zusammenhang, dass soziale Medien eine erfolgreiche Möglichkeit der Beweisführung für den Arbeitgeber bieten können. Je besser die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall dokumentiert sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch ein Gericht von der Erschütterung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgeht.

Personalabteilungen sollten insbesondere bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Onlineanbietern kritisch sein. Hier wird mit der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit oftmals „großzügig“ umgegangen. Sollte sich der Verdacht eines echten Missbrauchs erhärten, ist neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen auch eine Strafanzeige gegen den Arzt aufgrund des neugeschaffenen Straftatbestands des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in Betracht zu ziehen.

Auch in vermeintlich klaren Fällen sollten Arbeitgeber bedenken, dass die Gerichte nicht unbedingt von einer Tatbegehung überzeugt sein werden. Deshalb ist stets anzuraten ist, die Kündigung zugleich auf den Verdacht der Pflichtverletzung zu stützen und die entsprechenden Formalien einer Verdachtskündigung einzuhalten.
Daneben ist in solchen Fällen stets Eile geboten: Sobald der Arbeitgeber Kenntnis der zur Pflichtverletzung hat, muss er die Kündigung grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen aussprechen. Die Entscheidung zeigt hier aber auch, dass diese Ausschlussfrist gehemmt sein kann, solange der Arbeitgeber versucht, den Sachverhalts aufzuklären, etwa wenn der betroffenen Arbeitnehmer angehört wird. Dabei hat der Arbeitgeber aber zu berücksichtigen, dass eine etwaige Betriebsratsanhörung innerhalb der genannten Zwei-Wochen-Frist erfolgen muss.

 

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