Update Arbeitsrecht August 2023
Wirksame Kündigung wegen Faschismusvergleich auf Anti-Corona-Demo
LAG München, Urteil vom 18.07.2023 - 7 Sa 71/23
Im Zuge der Corona-Pandemie kam es immer wieder zu kündigungsrechtlichen Streitigkeiten anlässlich eines außerbetrieblichen Verhaltens der gekündigten Person, welches im Zusammenhang mit der Ablehnung der staatlichen Corona-Maßnahmen stand. Häufig geben die dazu ergangenen Entscheidungen jedoch Aufschluss über die generelle Reichweite der arbeitsvertraglichen Pflichten und die Grenzen zum privaten Bereich.
So wurde etwa die private Teilnahme ohne Alltagsmaske an einer Corona-Leugner-Demonstration außerhalb der Arbeitszeit oder eine entsprechende private Meinungsäußerung unter Verweis auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) grundsätzlich noch nicht als vom Arbeitgeber sanktionierbarer Pflichtenverstoß erachtet. Anders wurde dies jedoch bewertet, wenn medizinisches Personal involviert war, welches die Schutzempfehlungen bzw. Demonstrationsauflagen (Abstandhalten und Maske tragen) missachtet hat, weil dann ein hinreichender dienstlicher Bezug bestand.
Mit der Frage, wann eine außerdienstliche Meinungsäußerung eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen kann, hatte sich jüngst das LAG München auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit 2019 bei der Beklagten, einer vom Freistaat Bayern errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts, als Referentin für Rundgangführungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau beschäftigt. Die Beklagte verfolgt das Ziel, die Gedenkstätten als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten.
Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anzuwenden. Dieses Tarifwerk sieht in § 3 Abs. 1 S. 2 vor, dass die Beschäftigten sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen. Diese politische Treuepflicht richtet sich nach der jeweiligen Stellung und dem Aufgabenkreis des Mitarbeiters gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Sie gilt sowohl im dienstlichen wie auch im außerdienstlichen Bereich.
Als Referentin bestand die klägerische Tätigkeit darin, Besucher durch das ehemalige Konzentrationslager auf der Gedenkstätte Dachau zu führen, die historischen Abläufe zu erläutern und über das Lagerleben und das Schicksal der Häftlinge zur berichten. Dabei sieht die Beklagte in der zutreffenden Wiedergabe von historischen Fakten und dem Respekt vor der Geschichte der Gedenkstätte essenzielle Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit.
Im Januar 2022 trat die Klägerin als Rednerin bei einer Anti-Corona-Demonstration auf dem Münchner Königsplatz auf und verkündete u.a. vor etwa 3.000 Teilnehmern:
„Wir habens hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. Und ihr seht die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln.“
Nachdem die Beklagte von diesen Einlassungen Kenntnis erlangt hatte, führte sie mit der Klägerin ein Personalgespräch, stellte diese dann mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei und sprach anschließend eine ordentliche Kündigung aus.
Mit ihrer Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Kündigung gerichtlich angegriffen. Das Arbeitsgericht München hat die Klage jedoch in erster Instanz abgewiesen und entschieden, dass die Kündigung wirksam war. Der Klägerin fehle aufgrund ihres Verhaltens und dem damit einhergehenden begründeten Zweifel an ihrer Verfassungstreue die Eignung für die Ausübung der Tätigkeit als Referentin für Rundgangführungen in einer KZ-Gedenkstätte. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Beklagten, über die das LAG München zu entscheiden hatte.
Entscheidung
Im Berufungsverfahren hat das LAG München die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts München bestätigt und die Kündigung ebenfalls als wirksam erachtet.
Das Verhalten der Klägerin als Rednerin berühre die allgemeine Aufgabenstellung der Beklagten und wirke in die Gedenkstätte hinein, sodass ein hinreichender dienstlicher Bezug bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen und dürfen nicht den Staat oder die Verfassung und deren Organe beschimpfen oder verächtlich machen, da ansonsten ein Eignungsmangel vorliege. Die Äußerungen seien hier jedoch als Beschimpfung und Verächtlichmachung des Staates einzuordnen, weshalb die Kündigung gerechtfertigt sei. Insoweit hat das LAG München klargestellt, dass ein Mitarbeiter, der Führungen in einer KZ-Gedenkstätte durchführt und die Besucher betreut, seinen demokratisch gewählten, staatlichen Arbeitgeber nicht mit einem Faschistenstaat gleichstellen darf. Tut er dies dennoch, so stehe seine Geisteshaltung und die damit einhergehende Herabwürdigung der Demokratie nicht im Einklang mit § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L.
Praxistipp
Die Entscheidung des LAG München ist zu begrüßen, da sie der hohen Bedeutung der Loyalitätspflicht im Öffentlichen Dienst Ausdruck verleiht. Sie zeigt außerdem, dass im öffentlichen Dienst eben noch schärfer danach zu differenzieren ist, welche Äußerungen außerhalb dienstlicher Veranstaltungen von der allgemeinen Meinungsfreiheit gedeckt sind. Von den Beschäftigten wird insoweit erwartet, dass sie sich mit der freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung identifizieren, sowohl im dienstlichen wie auch im außerdienstlichen Bereich.
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sollten daher stets auch bei problematischen außerdienstlichen Äußerungen ihrer Beschäftigten prüfen, ob diese noch im Einklang mit der politischen Treuepflicht stehen und nicht die Schwelle zur Beschimpfung und Verächtlichmachung des Staates übertreten.