28.11.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2019

Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigungserklärung bei Einwurf in den Hausbriefkasten

BAG, Urt. v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19

Der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigungserklärung kann für den Erfolg einer Kündigungsschutzklage entscheidend sein. Für den Fall, dass das Kündigungsschreiben nicht persönlich dem Arbeitnehmer übergeben wird, sondern in dessen Briefkasten eingeworfen wird, muss vom Gericht festgestellt werden, wann mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen war und damit wann das Schreiben zugegangen ist.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten langjährig beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Januar 2017 (Freitag)  außerordentlich fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde am selben Tag von einem Mitarbeiter der Beklagten gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Die Postzustellung am Wohnort des Klägers erfolgt regelmäßig am Vormittag bis ca. 11 Uhr. 

Am 20. Februar 2017 hat der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Die Beklagte steht jedoch auf dem Standpunkt, das Kündigungsschreiben sei dem Kläger schon am 27. Januar 2017 zugegangen. Damit sei die 3-Wochen Frist gemäß § 4 KSchG nicht eingehalten worden und die Kündigung wirksam. Der Kläger erklärt, er habe das Kündigungsschreiben erst am Montag, den 30. Januar 2017 in dem Hausbriefkasten vorgefunden. Damit sei die Frist von ihm gewahrt worden.

Entscheidung

Der Zeitpunkt der Zustellung ist für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte angenommen, dass die Zustellung noch am 27. Januar 2017 erfolgt sei. Nach den gewöhnlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten des Verkehrs sei bei einem Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers mit einer Leerung bis 17:00 Uhr zu rechnen. Die Revision des Klägers hatte jedoch Erfolg. Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache an das LAG zur weiteren Tatsachenfeststellung zurückverwiesen. 

Das BAG hat ausgeführt, dass der Einwurf eines Kündigungsschreibens in einen Briefkasten den Zugang bewirke, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Insoweit sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern – im Interesse der Rechtssicherheit – eine generalisierende Betrachtung vorzunehmen. Das LAG habe nicht hinreichend festgestellt, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme des am 27. Januar 2017 gegen 13:25 Uhr eingeworfenen Briefes zu rechnen war. 

Das BAG hat kritisiert, dass die Berufungsinstanz für die Feststellung der Verkehrsanschauung auf die erwerbstätige Bevölkerung abgestellt habe. Dabei handele es sich, selbst unter Einschluss von Teilzeitarbeitsverhältnissen, um eine, wenn auch große, Minderheit der Bevölkerung. Auch habe das LAG den Umstand ausgeblendet, dass nicht alle Erwerbstätigen in Singlehaushalten leben. Die Leerung des Hausbriefkastens könne daher auch durch andere Mitbewohner erfolgen, die nicht oder zu anderen Zeiten arbeiten. In diesem Fall komme es womöglich zu keiner nochmaligen Leerung des Briefkastens am selben Tag.

Das LAG hatte den Zeitpunkt der Leerung zudem auf 17:00 Uhr festgelegt. Dies sei, so das LAG, als Zeitpunkt „angemessen“. Woraus dieser Zeitpunkt und die Angemessenheit des solchen abgeleitet wurde hat das LAG aber aus Sicht des BAG nicht begründet. Es handele sich vielmehr um einen willkürlich gesetzten Zeitpunkt. Da es entscheidend auf die Verkehrsanschauung ankomme, sei auch nicht auf Verhältnismäßigkeitserwägung abzustellen.

Praxishinweis

Wann eine Kündigungserklärung zugegangen ist, hängt von der Verkehrsanschauung ab. Kommt es auf die Einhaltung einer Frist an, z. B. die 2-Wochen-Frist bei außerordentlichen Kündigungen, gehen Arbeitgeber daher ein hohes Risiko ein, wenn sie das Kündigungsschreiben erst am letztmöglichen Tag zustellen. Sollte dies nicht zu vermeiden sein, empfiehlt es sich, das Schreiben so früh wie möglich am letzten Tag des Fristablaufs in den (Haus-)Briefkasten einzuwerfen. 

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