Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2014
Außerordentliche Verdachtskündigung
BAG, Urteil vom 20.3.2014, 2 AZR 1037/12
Eine außerordentliche Verdachtskündigung kann im Ausnahmefall auch ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ausgesprochen werden.
Der Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens kann das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu einem Arbeitnehmer zerstören. Will der Arbeitgeber darauf eine Kündigung stützen, muss er den Arbeitnehmer zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen vor Ausspruch der Kündigung grundsätzlich anhören. Dadurch kann es zu erheblichen Zeitverzögerungen kommen. Diese Verzögerungen können dazu führen, dass eine fristlose außerordentliche Kündigung wegen Zeitablaufs ausscheidet und nur noch der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung verbleibt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seiner lesenswerten Entscheidung vom 20. März 2014 mit verschiedenen Fragen zu diesem Themenkomplex befasst.
Ausgangspunkt der Überlegungen des BAG ist § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Liegen zunächst nur Anhaltspunkte vor, kann der Kündigungsberechtigte nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen auch anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt.
Anhörungsfrist in der Regel maximal eine Woche
Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine Anhörung, die bei einer Tatkündigung optional ist, muss diese innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen darf. Das BAG hat nunmehr entschieden, dass ein Überschreiten dieser Frist ausnahmsweise zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer – zum Beispiel wegen einer Rehabilitationsmaßnahme – einen zunächst angesetzten Anhörungstermin nicht wahrnehmen kann, daher um eine schriftliche Anhörung bittet, der Arbeitgeber dieser Bitte nachkommt und das Anhörungsverfahren dadurch insgesamt zehn Tage andauert.
Anhörung nur ausnahmsweise entbehrlich
Die Anhörung ist im Falle einer Verdachtskündigung ein Muss und darf nur im Ausnahmefall unterbleiben. Dies sollte bis dato jedenfalls gelten, wenn der Arbeitnehmer erklärt, er werde sich zudem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern und er dafür keinen relevanten Grund nennt.
Das BAG ergänzt seine Rechtsprechung nunmehr um den Fall, dass der Arbeitgeber eine angemessene Frist zur Stellungnahme setzt, der Arbeitnehmer diese aber – gegebenenfalls sogar unfreiwillig, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung – verstreichen lässt. Der Arbeitgeber kann dann auch ohne Anhörung direkt zur Kündigung übergehen und so ein „Spiel auf Zeit“ unterbinden. Alternativ kann der Arbeitgeber die Wiedergenesung des Arbeitnehmers abwarten und dann anhören. Das BAG ist der Auffassung, dass in einem solchen Fall in der Regel hinreichende besondere Umstände vorlägen, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird.
Fazit
Es bleibt dabei, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen anhören muss. Nur in Ausnahmefällen entfällt die Anhörungspflicht. Regelmäßig wird sich anbieten, eine Kündigung sowohl auf eine „erwiesene“ Pflichtverletzung (Tatkündigung) als auch auf den „dringenden Verdacht“ eines entsprechenden Fehlverhaltens zu stützen. Allerdings ist dann ein etwaig vorhandener Betriebsrat zu beiden Aspekten zu beteiligen. Bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung muss die Anhörung in der Regel innerhalb einer Frist von einer Woche erfolgen. Nur ausnahmsweise kann diese Frist überschritten werden. Vorsorglich sollte der Arbeitgeber auch eine ordentliche Kündigung aussprechen.