12.05.2022Fachbeitrag

Update Compliance 12/2022

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Einziehung aus Cum-Ex-Geschäften trotz möglicher Verjährung – Bank muss 176 Mio. Euro abschreiben

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde einer Bank gegen die Einziehung von EUR 176 Mio. abgewiesen. Danach durften die Strafgerichte das Geld bei der Bank trotz möglicher Verjährung einziehen. Grundlage der Einziehungsanordnung war eine im Jahr 2020 eingeführte Vorschrift, wonach die Einziehung auch nach Verjährung der Tat möglich ist. Aufgrund einer Übergangsvorschrift betrifft diese Regelung auch Taten, die bereits vor Erlass des Gesetzes begangen wurden. Die Bank berief sich im Rahmen ihrer Verfassungsbeschwerde darauf, dass durch die Vorschrift eine verfassungswidrige Rückwirkung eintrete. Der zweite Senat des BVerfG entschied nun, dass zwar eine Rückwirkung vorliege, diese jedoch ausnahmsweise wegen überragender Belange des Gemeinwohls zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Der Sachverhalt

Hintergrund der Verfassungsbeschwere ist ein Strafverfahren vor dem Landgericht Bonn gegen zwei Angeklagte, denen Steuerhinterziehung und Beteiligung an mehreren Cum-Ex-Geschäften vorgeworfen wurde. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte sich die Bank in den Jahren 2007 bis 2011 im Wege des Eigenhandels in fünf Fällen an den Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Vor diesem Hintergrund wurde gegen die Bank eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von rund EUR 176 Mio. angeordnet.

Die dagegen gerichtete Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) durch die Bank blieb erfolglos. Daraufhin erhob die Bank eine Verfassungsbeschwere beim Bundesverfassungsgericht. Sie rügte insbesondere die Verletzung des Verbots rückwirkend belastender Gesetze gemäß Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.

Der rechtliche Hintergrund

Nach den §§ 73 ff. StGB können Taterträge eingezogen werden. Grundsätzlich ist die Einziehung ausgeschlossen, wenn der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat erwachsen ist, erloschen ist. Seit einer Gesetzesänderung durch das Jahressteuergesetz 2020 erlaubt jedoch der nun eingeführte § 73e Abs. 1 S. 2 StGB die Einziehung, wenn der Grund für das Erlöschen des Anspruchs dessen Verjährung ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB erlaubt dies auch für Taten, die vor Inkrafttretens der Vorschrift am 29. Dezember 2020 begangen wurden. Hierunter fallen auch besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung.

BVerfG zu den Cum-Ex-Einziehungen

Mit Beschluss vom 07. April 2022 entschied die zweite Kammer des zweiten Senats, dass die Regelung des § 73e Abs. 1 S. 2 StGB nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Einziehung nicht akzessorisch zu etwaigen Ansprüchen von Geschädigten.

Hinsichtlich der Übergangsregelung des § 316j Nr. 1 EGStGB entschied der zweite Senat, sie führe zwar zu einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen im Sinne einer sog. „echten“ Rückwirkung. Grundsätzlich ist eine Rückwirkung nach dem Prinzip der Rechtssicherheit verfassungsrechtlich unzulässig. 

Werden mit der Rückwirkung jedoch überragende Belange des Gemeinwohls verfolgt, die eine rückwirkende Beseitigung erfordern, muss der Vertrauensschutz in das Bestehen der Rechtsordnung zurücktreten, eine „echte“ Rückwirkung ist ausnahmsweise gerechtfertigt. Das BVerfG führt dazu aus, mit der Übergangsregelung verfolge der Gesetzgeber das Ziel, durch Steuerhinterziehungen großen Ausmaßes eingetretene, in die Gegenwart fortwirkende Störungen der Vermögensordnung zu beseitigen und so der Rechtsgemeinschaft zu verdeutlichen, dass sich Straftaten nicht lohnen. Dieses Ziel ist laut BVerfG legitim und überragend wichtig, sodass eine Rückwirkung ausnahmsweise gerechtfertigt sei.

Die Bank ist damit mit dem Versuch gescheitert, das eingezogene Geld zurückzuerlangen.

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