Update Immobilien & Bau 2/2021
Erste Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu pandemiebedingten Beeinträchtigungen von Gewerberaummietern - Die Einzelfallbetrachtung bleibt maßgeblich!
Erstinstanzliche Gerichte kamen auch nach Einführung des Art. 240 § 7 EGBGB, der den von pandemiebedingten Beeinträchtigungen betroffenen Gewerberaummietern den Weg zur Reduzierung der Miete über die „Störung der Geschäftsgrundlage“ erleichtern sollte, nicht zu einheitlichen Entscheidungen (vgl. hierzu unser Update Immobilien & Bau Nr. 1/2021). Wer in der zweiten Instanz eine homogene Entscheidungslandschaft erhoffte, wurde durch die ersten zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte enttäuscht.
Insbesondere die Frage der „Zumutbarkeit“ ist eine Frage des Einzelfalls
Zwar sind sich die Oberlandesgerichte einig, dass eine Mietminderung nicht in Betracht kommt, da eine pandemiebedingte Schließung keinen Mietmangel darstelle. Die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage – insbesondere nach Einführung des Art. 240 § 7 EGBGB – seien jedoch grundsätzlich anwendbar. Erforderlich ist aber weiterhin die sorgfältige Prüfung aller Voraussetzungen, insbesondere die Frage, ob ein Festhalten am Vertrag „zumutbar“ bleibt. Diese Frage kann nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller individuellen Begleitumstände beantwortet werden.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.02.2021 - 7 U 109/20, OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 - 32 U 6358/20, OLG Dresden, Urt. v. 24.02.2021 - 5 U 1782/20
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.02.2021 - 7 U 109/20) lehnte aufgrund der Einzelheiten des Sachverhalts ein Recht des Mieters zur Vertragsanpassung für den Zeitraum einer pandemiebedingten Schließung seines Einzelhandelsgeschäfts ab. Auch das Oberlandesgericht München tendiert in seinem jüngsten Hinweisbeschluss (OLG München, Beschl. v. 17.02.2021 - 32 U 6358/20) aufgrund der Umstände des Einzelfalls hierzu. Das Oberlandesgericht Dresden kam in seinem Urteil (OLG Dresden, Urt. v. 24.02.2021 – 5 U 1782/20) hingegen zu einem Anspruch auf Reduzierung der Kaltmiete um 50 Prozent für den Zeitraum der pandemiebedingten Anordnung der Geschäftsschließung.
Unterschiedliche Ergebnisse bei Anwendbarkeit der Störung der Geschäftsgrundlage
Die Oberlandesgerichte München und Karlsruhe lehnten hingegen eine Mietreduzierung ab, da die grundsätzliche Anwendbarkeit eben nicht automatisch auch zu der Erfüllung aller Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB führt. Erforderlich ist nach Ansicht der beiden Oberlandesgerichte insbesondere auch die Erfüllung des normativen Merkmals des § 313 Abs. 1 BGB, nach dem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einem Vertragsteil das Festhalten am Vertrag in dieser Form nicht mehr zumutbar sein dürfe. Hierzu verhalte sich Art. 240 § 7 EGBGB nicht und dieses Merkmal sei daher weiterhin in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.
Abwägungskriterien im Rahmen der Einzelfallprüfung
Entscheidend sei, ob für einen Vertragsteil die Opfergrenze überschritten werde, seine unveränderte Inanspruchnahme also dessen wirtschaftliche Existenz vernichten könnte oder zumindest sein wirtschaftliches Fortkommen schwer beeinträchtigen würde. Die Oberlandesgerichte orientierten sich hierfür insbesondere an folgenden Kriterien:
- Wie erheblich war der Umsatzrückgang in dem entscheidenden Zeitraum?
- Konnte der Mieter Zuschüsse zur Kompensation erhalten?
- Hat der Mieter Aufwendungen erspart (z.B. durch Kurzarbeitergeld)?
- Konnte der Mieter sein Onlinegeschäft ausbauen?
- Wie lange bestand das Mietverhältnis bereits und hatte der Mieter die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden?
- Wie ist die wirtschaftliche Situation des Mieters insgesamt, ggfs. auch unter Berücksichtigung seiner Konzernmutter?
Das Oberlandesgericht Dresden hielt demgegenüber eine hälftige Teilung der pandemiebedingten Folgen für angemessen. Die Oberlandesgerichte München und Karlsruhe kamen nach Abwägung der vorgenannten Kriterien hingegen in den jeweiligen Fällen zu dem Schluss, dass eine Vertragsanpassung zu Gunsten des jeweiligen Mieters ausscheide. Die Mieter hätten nach Auffassung der beiden Oberlandesgerichte jeweils nicht hinreichend vorgetragen, dass die Zahlung der streitgegenständlichen Miete zu wirtschaftlich für sie untragbaren Ergebnissen führt. Dies lag in beiden Fällen insbesondere daran, dass es sich bei den Mietern um größere Konzerngesellschaften mit zahlreichen Filialen innerhalb eines Konzernverbundes handelte, die naturgemäß mehr Möglichkeiten zum Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen hatten.
Fazit
Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte zeigen, dass auch nach der Vermutungsregelung in Art. 240 § 7 EGBGB keinesfalls pauschal von einem Anspruch des Mieters auf Mietreduzierung ausgegangen werden kann. Bei den Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage soll es sich auch weiter um absolute Ausnahmeregelungen handeln, deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall genau zu betrachten bleiben. Dabei kommt es nicht nur auf die mietvertraglichen Regelungen selbst an, sondern auch auf alle Begleitumstände, wie etwa die wirtschaftliche Situation des Mieters insgesamt, auch vor dem Hintergrund seiner Konzernstruktur.
Ausblick
Den Parteien ist weiterhin zu empfehlen, das Gespräch mit der jeweils anderen Partei zu suchen, um einvernehmliche Lösungen zu finden und dem Risiko erheblicher Prozesskosten zu entgehen. Eine rechtliche Begleitung ist weiterhin empfehlenswert. Die nun ergangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ebnen zugleich den Weg für eine Klärung der Rechtsfragen durch den BGH und lassen eine höchstrichterliche Entscheidung noch in diesem Jahr erwarten.