04.08.2023Fachbeitrag

Update Compliance 7/2023

OLG Düsseldorf: Kein Regress gegen Geschäftsführer bei Kartell-Unternehmensgeldbußen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 27. Juli 2023 die persönliche Haftung von Geschäftsführungsorganen für Unternehmenskartellbußen ausgeschlossen. Vorstände und Geschäftsführer können damit nicht in Regress genommen werden für Geldbußen, die gegen die von ihnen geleiteten Gesellschaften verhängt wurden. Das OLG hat damit eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 2021 bestätigt. Das OLG hat sein Diktum damit begründet, dass ein Rückgriff auf den Geschäftsführer bzw. den Vorstand den Sanktionszweck einer Unternehmensgeldbuße gefährden würde. Zudem sähen die kartellrechtlichen Vorschriften eine Systematik getrennter Bußgeldnormen für die handelnden Personen einerseits und das beteiligte Unternehmen andererseits vor, die bei einem Regress unterlaufen würde.

Der Hintergrund

Dem OLG Düsseldorf lag eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vor, das den Regress einer Unternehmensgeldbuße wegen eines Kartellverstoßes ablehnte. Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH und Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, zweier miteinander verbundener Edelstahlunternehmen.

In dieser Funktion hatte er im Zeitraum von 2002 bis 2015 regelmäßig am Austausch wettbewerblich sensibler Informationen teilgenommen. Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 2015 ein Bußgeldverfahren gegen mehrere Edelstahlunternehmen und Einzelpersonen eingeleitet und schließlich gegen insgesamt zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn verantwortliche Personen wegen des kartellrechtswidrigen Informationsaustauschs Bußgelder in Höhe von insgesamt rund EUR 355 Mio. verhängt. Die betroffenen Stahlhersteller hatten sich  etwa über die aktuelle Auftragslage, die Entwicklung der Lagerbestände, Produktionsstillstände und beabsichtigte Preiserhöhungen ausgetauscht und Absprachen hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung von Preisen getroffen.

Die meisten Stahlunternehmen hatten den vom Bundeskartellamt ermittelten Sachverhalt der illegalen Preisabsprachen als zutreffend eingeräumt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt.

Gegen die klagende GmbH und den Beklagten hat das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang ebenfalls Geldbußen festgesetzt. Dieses gegen die GmbH verhängte Bußgeld i. H. v. EUR 4,1 Mio. hat die GmbH mit ihrer Klage vor dem Landgericht Düsseldorf von dem Beklagten zurückgefordert. Die AG verlangte Erstattung der Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten. Darüber hinaus haben beide Klägerinnen Feststellung dahingehend begehrt, dass der Beklagte für alle aus dem Kartell resultierenden Zukunftsschäden hafte.

Das Landgericht wies die Schadensersatzforderung hinsichtlich des Bußgeldes der GmbH sowie hinsichtlich der Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten der AG zurück. Es stellte aber fest, dass der Beklagte den Klägerinnen Schadensersatz für alle weiteren Zukunftsschäden, die aus dem Wettbewerbsverstoß resultierten, leisten müsse.

Die Entscheidung des OLG

Der 6. Senat des OLG hat diese Entscheidung hinsichtlich der Regressfähigkeit von Verbandsgeldbußen nun bestätigt. Der Beklagte hat nach Auffassung des OLG vorsätzlich an dem Austausch dieser wettbewerblich sensiblen Informationen mitgewirkt, sodass es fernliegend sei, dass ihm die Kartellrechtswidrigkeit nicht bewusst gewesen sein soll.

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers und des Vorstandes kommt nach der Auffassung des OLG, ebenso wie nach Ansicht des LG, für Kartellbußen eines Unternehmens nicht in Betracht. Die kartellrechtliche Wertung, wonach getrennte Bußgelder gegen die handelnde Person und das Unternehmen festgesetzt werden, würde ansonsten unterlaufen. Ein Regress würde zudem den Sanktionszweck der Unternehmensgeldbuße gefährden. Dies gelte erst recht, wenn Vorstand und Geschäftsführer über eine sog. "D&O-Versicherung" haftpflichtversichert seien und die Deckungssumme weit höher sei als das gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld. Somit bestehe kein Regressanspruch des klagenden Unternehmens gegen den Beklagten hinsichtlich des Bußgeldes.

Die Aufklärungs- und Verteidigerkosten seien ebenfalls nicht erstattungsfähig, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen stünden.

Lediglich die Haftung des Geschäftsführers und Vorstandes für zivilrechtliche Ansprüche Dritter, die aufgrund des Kartells geschädigt worden seien, bliebe bestehen.

Außerdem greife die vom Beklagten geltend gemacht Verjährung nicht. Die Absprachen hätten in mehreren Treffen stattgefunden, welche daher im Rahmen einer einheitlichen Grundabsprachen eine Bewertungseinheit bildeten, sodass die Verjährung der Ansprüche nicht nach jedem Treffen gesondert, sondern erst mit dem letzten Treffen beginne.

Rechtliche Einordnung

Die Frage nach der Regressfähigkeit von Unternehmenskartellgeldbußen gegenüber den verantwortlichen Personen (z. B. Geschäftsführern) ist seit jeher umstritten. Die bisher veröffentlichte Rechtsprechung hat einen Regressanspruch einer mit Bußgeldern belegten Gesellschaft auf Ersatz des Bußgeldes gegen dem Geschäftsführer, der an dem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellverstoß mitgewirkt hat, bislang abgelehnt (so etwa LAG Düsseldorf vom 20.01.2015, 16 Sa 459/14 und LG Saarbrücken vom 15.09.2020, 7HK O 6/16). Im Schrifttum ist die Rechtsfrage umstritten.

In einem Hinweisbeschluss vom 21. Juni 2023, 8 O 5/22 (Kart) hat das Landgericht Dortmund die vorläufige Rechtsauffassung vertreten, ein Regressanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen anzuerkennen, die ihr dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt und mit Schadensersatzanforderungen konfrontiert wurde. Die Regressfähigkeit von Bußgeldern unterlaufe – anders als hier vom OLG Düsseldorf vertreten – gerade nicht ordnungsrechtliche Sanktionen, da das Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht eigenständig nebeneinanderstünden, ohne dass letzteres das erstere beschränken könnte. Der Anspruch ergebe sich vorwiegend aus § 43 Abs. 2 GmbHG, da die Beteiligung an einem nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB verbotenen Kartell einen zur Haftung des Geschäftsführers führenden Verstoß gegen die Legalitätspflicht darstelle. Die Kammer hat sich damit Teilen der Literaturansicht (so u. a. Kersting, ZIP 2016, 1266 und Grau/Dust, ZRP 2020, 134) angeschlossen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um die vorläufige Rechtsauffassung der Kammer. Es bleibt – insbesondere im Hinblick auf die neuerliche Entscheidung des OLG Düsseldorf – abzuwarten, ob das Landgericht Dortmund an seiner Rechtsauffassung festhält. Die Verkündung einer Entscheidung ist auf den 30. August 2023 anberaumt.

Ausblick

Eine endgültge Klärung der umstrittenen Rechtsfrage ist auch mit dem Urteil des OLG Düsseldorf noch nicht eingetreten. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Das Urteil ist mithin nicht rechtskräftig. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser umstrittenen Frage ist angesichts der uneinheitlichen Rechtslage wünschenswert und bleibt abzuwarten.

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