Update Compliance 20/2022
Regierungsentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes: Bundesrats-Ausschüsse empfehlen Zustimmung, wollen aber Einzelfragen überprüft wissen
Der Bundesrat wird in seiner 1024. Sitzung am 16. September 2022 darüber entscheiden, ob er dem Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes zustimmt. Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Bundesrates empfehlen dem Bundesrat, gegen den Regierungsentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes keine Einwendungen zu erheben. Der Ausschuss für innere Angelegenheiten und vor allem der Wirtschaftssausschuss des Bundesrates haben hingegen – zurückhaltende – Einwendungen gegen einzelne Vorschriften des Regierungsentwurfs gemacht (BR-Drs. 372/1/22).
Der Wirtschaftsausschuss bittet um Prüfung im weiteren Gesetzgebungsverfahren, ob eine Reduzierung des sachlichen Anwendungsbereichs – also der Vorschriften, die vom Hinweisgeberschutz umfasst sein sollen – möglich sei. Er begründet dies mit der Notwendigkeit, kleinere und mittlere Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.
Der Wirtschaftsausschuss ersucht zudem um eine gesetzliche Konkretisierung des Begriffs „Repressalie“. Dieser sei denkbar weit gefasst und müsse erst durch die Rechtsprechung konkretisiert werden. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, aber auch für Hinweisgeber führe dies zu Rechtsunsicherheit.
Der Wirtschaftsausschuss fordert des Weiteren, dass Berufsgeheimnisse von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern nicht dem Hinweisgeberschutz unterfallen. Der Regierungsentwurf sehe vor, dass Berufsgeheimnisse rechtsberatender Berufe nicht gemeldet werden sollen auch nicht den Schutz des Whistleblowers vor Repressalien auslösen. Die Verschwiegenheitspflicht steuerberatender Berufe sei vergleichbar mit der von Rechtsanwälten.
Zudem zweifelt der Wirtschaftsausschuss, ob das im Entwurf vorgesehene freie Wahlrecht des Hinweisgebers zwischen einer internen Meldung und einer Meldung an eine externe Stelle (z. B. beim Bundeskartellamt) oder gar einer Offenlegung gegenüber Medien der EU-Richtlinie entspricht.
Er hält zudem die Androhung eines Bußgeldes von bis zu 20.000 Euro für die Nichteinrichtung eines Hinweisgebersystems für nicht erforderlich. Die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie sehe dies nicht vor, und Unternehmen hätten auch ohne Sanktionsandrohung ausreichend Anreize, ein funktionierendes Meldesystem einzurichten.
Schließlich plädiert der Wirtschaftsausschuss dafür, die für kleine Unternehmen vorgesehene verlängerte Umsetzungsfrist (bis 17. Dezember 2023) auch für große Unternehmen anzuwenden.
Ausblick
Angesichts der Empfehlung des federführenden Rechtsausschusses, keine Einwendungen gegen den Regierungsentwurf zu erheben, ist zu erwarten, dass der Bundesrat dem Regierungsentwurf im Ergebnis zustimmt, dies möglicherweise mit allenfalls geringfügigen Änderungen. Sodann wird der Bundestag den Regierungsentwurf beschließen, das Hinweisgeberschutzgesetz wird wohl noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Drei Monate nach Inkrafttreten müssen Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten dann ein internes Meldesystem inklusive Folgemaßnahmenkonzept umgesetzt haben.
Hierzu gehört die Einrichtung von Meldekanälen und einer Organisation, die eingehende Hinweise vertraulich prüft und über Folgemaßnahmen entscheidet, die dann auch durchgeführt werden. Dabei sind Schutzmaßnahmen zugunsten des Hinweisgebers vor Repressalien zu treffen.
Die Forderung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes zu reduzieren, dürfte kaum mit einer gebotenen Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen zu begründen sein. Whistleblower machen sich in der Regel keine Gedanken darum, wie der von ihnen beobachtete Missstand rechtlich einzuordnen ist. Und bestimmte Meldungen schlicht nicht zuzulassen oder zu ignorieren, nur weil sie eine gewisse Bagatellschwelle nicht überschreiten, kann risikoreich sein. Denn sie könnten nur die Spitze eines Eisberges markieren. Hinsehen lohnt sich immer. Whistleblower zu ermutigen und zu schützen auch.
Ohnehin lässt die EU-Hinweisgeberrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber nicht viel Spielraum. Diese verlangt die Einbeziehung von Verstößen gegen Wirtschaftsaufsichtsnormen, sofern diese die EU berühren - auch wenn diese nach nationalem Recht nicht sanktionsbewehrt sind.
In der Praxis wird eine Differenzierung zwischen schweren oder mutmaßlich leichten Missständen kaum eine Rolle spielen. Maßgeblich ist vielmehr, dass Unternehmen anlass- und risikobezogen mit den jeweiligen Meldungen umgehen.