01.06.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juni 2015

Schmerzensgeld bei unrechtmäßiger Überwachung

BAG, Urteil vom 19.2.2015 – 8 AZR 1007/1

Das Bundesarbeitsgericht hat sich – erneut – mit der Möglichkeit und Zulässigkeit einer heimlichen Foto- bzw. Videoüberwachung von Arbeitnehmern beschäftigt. Es führt seine bisherige Rechtsprechung (BAG 7.10.1987 – 5 AZR 116/86, BAG 27.3.2003 -2 AZR 51/02; BAG 21 .6.2012 – 2 AZR 153/11; BAG 21.11.2013 – 2 AZR 797/10) konsequent fort.

Strenge Anforderungen an heimliche Foto- oder Videoüberwachung

Das heimliche Anfertigen von Fotos oder Videoaufnahmen kann im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bei Vorliegen von vier Voraussetzungen gerechtfertigt sein:

  1. Es muss ein konkreter auf Tatsachen begründeter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Verfehlung vorliegen.
  2. Weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung müssen aussichtslos oder ohne Erfolg geblieben sein.
  3. Die verdeckte Foto- oder Videoüberwachung muss das praktisch einzig verbliebene Mittel sein.
  4. Es darf nach einer abschließenden Bewertung keine Unverhältnismäßigkeit der Überwachung vorliegen.

Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Ein Verstoß gegen diese Grundsätze stellt zugleich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Eine Rechtsverletzung zieht im Falle eines ausreichenden Gewichts die Sanktionierung mit Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1 BGB) neben anderen Rechtsfolgen nach sich.


Das Bundesarbeitsgericht hat diese Grundsätze auf den folgenden Fall angewandt

Eine Arbeitnehmerin hatte eine Auseinandersetzung mit ihrem Geschäftsführer. Sie wurde kurze Zeit darauf für einen Zeitraum von insgesamt etwa zwei Monaten krankgeschrieben. Die ersten vier Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stammten von einem Facharzt für Allgemeinmedizin. Die beiden weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen waren von einer Fachärztin für Orthopädie ausgestellt. Die Arbeitnehmerin teilte ihrerseits dem Geschäftsführer anfangs mit, dass sie an einer Rippenfellentzündung leide und später, dass sie einen Bandscheibenvorfall habe. Der Arbeitgeber misstraute der Arbeitsunfähigkeit und ließ durch eine Detektei Fotos und Videoaufnahmen im Zuge der Überwachung der Arbeitnehmerin anfertigen.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Überwachung für unzulässig erklärt. Es hat nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bereits an der ersten Voraussetzung für eine heimliche Foto- bzw. Videoüberwachung gefehlt. Der Arbeitgeber habe keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den konkreten Verdacht einer Straftat (Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit) gehabt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien ordnungsgemäß gewesen. Deren Beweiswert sei auch nicht erschüttert gewesen. Bloße Vermutungen reichen nicht dafür aus, eine heimliche Überwachung auszulösen. Erforderlich sind belastbare, konkrete Umstände.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung von Schmerzensgeld durch das Landesarbeitsgericht bestätigt. Der Schmerzensgeldbetrag betrug 1.000,00 Euro. Die Arbeitnehmerin hatte klageweise ein Schmerzensgeld von 10.500,00 Euro geltend gemacht.

Fazit

Eine heimliche Überwachung durch Foto oder Video kommt zwar zur Aufklärung von schweren Verfehlungen in Betracht. Sie setzt aber voraus, dass ein begründeter Verdacht vorliegt, der auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Wird diese erste Hürde genommen, sind die weiteren Voraussetzungen für eine heimliche Überwachung durch Foto- oder Videoaufnahmen zu prüfen.

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