06.10.2018Fachbeitrag

Update Compliance Nr. 12

UK Court of Appeal anerkennt Beschlagnahmeschutz von Anwaltsunterlagen aus Internen Ermittlungen

Der UK Court of Appeal hat entschieden, dass im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen anwaltlich angefertigte Interviewprotokolle und gesammelte Dokumente beschlagnahmefrei sind. Er hob damit die vorinstanzliche Entscheidung des High Court auf, die einen Beschlagnahmeschutz verneinte. Die Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem das Serious Fraud Office (SFO) auf ein Rechtsmittel verzichtet hat.

Auch in Großbritannien herrschte zuletzt Streit darüber, ob Rechtsanwälte, die für ein Unternehmen eine interne Ermittlung durchführen, vor Durchsuchung und Beschlagnahme geschützt sind. Der UK Court of Appeal hat ein solches Rechtsanwaltsprivileg jetzt bejaht. Die Entscheidung ist hier abrufbar.

Anlass der Entscheidung war eine Ermittlung des SFO wegen Betrugs- und Korruptionsverdachts gegen die Eurasian Natural Resources Cooperation (ENRC). Das SFO verlangte die Aushändigung von Unterlagen, die die externen Anwälte der ENRC angefertigt hatten, was ENRC unter Hinweis auf das "Legal Professional Privilege" (Rechtsanwaltsprivileg) ablehnte. Die Dokumente seien für interne Zwecke angefertigt und gesammelt worden, um sie ggf. im Verfahren zu verwenden. In erster Instanz unterlag die ENRC. Der Berufung der ENRC gab der UK Court of Appeal nun statt. Dokumente, die die Anwälte der ENRC im Rahmen einer internen Ermittlungen sammeln oder anfertigen und die ENRC mit ihren Anwälten teilt, unterlägen dem Rechtsanwaltsprivileg und seien daher nicht beschlagnahmefähig. Das SFO hat auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen diese Entscheidung verzichtet.

Auch in Deutschland sind die Anwendung und Reichweite eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmeschutzes umstritten: Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Durchsuchung bei Anwälten zum Zwecke des Auffindens von Unterlagen aus unternehmensinternen Ermittlungen und deren Beschlagnahme keine Grundrechte der betroffenen Anwälte, der betroffenen Kanzlei und des betroffenen Unternehmens verletze (siehe Pressemitteilung des BVerfG v. 6.7.2018 und Update Compliance 9/2018). Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht aber klargestellt, dass ab dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen eine beschuldigtenähnliche Stellung hat, seine mit der Unternehmensverteidigung beauftragten Anwälte vor Strafverfolgungsmaßnahmen geschützt sind.

Praxishinweis:

Trotz der Unsicherheiten über das Anwaltsprivileg bei internen Ermittlungen sind Unternehmen verpflichtet, Verdachtsmomenten auf illegales Mitarbeiterverhalten nachzugehen - erforderlichenfalls auch mit internen Ermittlungen durch externe Anwälte. Freilich ist bei der Planung der Untersuchung und beim Umgang mit den gesammelten Dokumenten die aktuelle Rechtsprechung zum Schutz dieser Unterlagen zu berücksichtigen.

Die Entscheidung des UK Court of Appeal hat die Rechte von Anwälten in Großbritannien gestärkt, in Deutschland ist die Rechtslage noch unsicher. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht schließt die Annahme eines Anwaltsprivilegs allerdings nicht aus - es hat nur entschieden, dass die anderslautenden Beschlüsse des Landgerichts München I nicht das Grundgesetz verletzen.

Die vom Bundesjustizministerium angekündigte Novellierung des Unternehmenssanktionenrechts sollte eine klarstellende Regelung zum Anwaltsprivileg bei internen Ermittlungen enthalten. Da Unternehmen genauso wie Einzelpersonen Gegenstand empfindlichster Sanktionierungen bis hin zur Auflösung sein können, sollten Unternehmensverteidiger wie auch die mit internen Ermittlungen beauftragten Rechtsanwälte genauso geschützt werden wie Verteidiger von natürlichen Personen.

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