28.11.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2019

Urlaubslisten des Arbeitgebers sind Wissens- und keine Willenserklärungen

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitnehmer machte widerklagend die Abgeltung von 65 Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2012 bis 2015 gegen die ursprünglich klagende Arbeitgeberin geltend. Die Arbeitgeberin hatte den Arbeitnehmer vom 1. Juni 2012 bis zum 29. Februar 2016 als SPS/Roboterprogrammierer für Serviceeinsätze beschäftigt. Der Arbeitnehmer hatte seine Arbeitsleistung an fünf Arbeitstagen pro Woche erbracht. Der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag sah eine Regelung vor, wonach dem Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr 30 Werktage Urlaub zustehen. Unterscheidungen zwischen dem gesetzlichen (Mindest-)Urlaub und dem zusätzlichen arbeitsvertraglichen Mehrurlaub enthielt der Arbeitsvertrag nicht.

Die auf dem Firmenserver der Arbeitgeberin einsehbare Urlaubsübersicht hatte in der Fassung mit Stand Dezember 2014 für den Arbeitnehmer unter der Rubrik „Gesamt-Urlaub“ die Zahl 77,5 ausgewiesen. Nach dem 31. März 2015 hatte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer an mindestens 32 Arbeitstagen Urlaub gewährt. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmer sodann mit E-Mail vom 18. Dezember 2015 darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls bestehender Resturlaub „bis zum 31. März 2016 genommen werden“ müsse. Hierauf hat der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt. Das Kündigungsschreiben ist der Arbeitgeberin am 2. Januar 2016 zugegangen. Nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich fristlos, sondern erst mit Ablauf des 29. Februars 2016 geendet.

Der Arbeitnehmer hat in sämtlichen Instanzen die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, Resturlaub im Umfang von 65 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 bis 2015 abzugelten. Dies hat er vor allem damit begründet, durch die Speicherung der Excel-Tabellen auf dem firmeneigenen Server habe die Arbeitgeberin die aus den Vorjahren stammenden Urlaubsansprüche anerkannt.

Das Arbeitsgericht hatte der Widerklage des Arbeitnehmers seinerzeit stattgegeben. Auf die Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) als Vorinstanz das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Widerklage abgewiesen.

Entscheidung

Die von dem Arbeitnehmer eingelegte Revision war vor dem BAG erfolgreich. Dem liegt zugrunde, dass das LAG in seiner Entscheidung vom 18. August 2017 noch die Auffassung vertreten hatte, die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2012 bis 2014 seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Hierbei hat es allerdings nicht die Rechtsprechungsgrundsätze bachtet, welche das BAG später in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 aufgestellt hat. 

Das BAG wendet zunächst die in seiner Entscheidung vom 19.02.2019 aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze konsequent auf den zugrunde liegenden Fall an. Es betont, der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt nur dann am Ende eines Kalenderjahres (oder eines zulässigen Übertragungszeitraums) wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordert, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub ansonsten mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt. Anderenfalls komme es zu einer Kumulierung des an sich verfallenden Urlaubs mit dem zu Beginn des Kalenderjahres neu entstehenden Urlaub. 

Das BAG betont sodann, dass diese Grundsätze in dem hiesigen Fall unterschiedslos sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub, ebenso wie für den arbeitsvertraglichen Mehrurlaub des Arbeitnehmers gälten. Insofern unterstreicht es nochmals, dass der vertragliche Mehrurlaub zwar ohne Weiteres abweichend geregelt werden könne. Die Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien sei dahingehend nämlich nicht durch europarechtliche Vorgaben beschränkt. Wenn allerdings – wie vorliegend – der Arbeitsvertrag keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung enthalte, sei grundsätzlich von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs mit dem Anspruch auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen.

Das BAG stellt sodann fest, dass das LAG nicht geprüft habe, ob die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer durch Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheit in die Lage versetzt hatte, seine Urlaubsansprüche aus den Jahren 2012 bis 2015 tatsächlich wahrzunehmen. Da hierzu auch entsprechende Tatsachenfeststellungen fehlten, konnte das BAG nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das LAG zurück. Das BAG stimmt allerdings der Vorinstanz zu, dass die Eintragungen auf der Urlaubsliste keine „Vereinbarung“ im urlaubsrechtliche Sinne darstellt. Aus diesen könnte daher auch nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber den in einer solchen Liste ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren will, wenn er diesen gar nicht schulde. Hierzu zieht das Gericht auch einen Vergleich zu seiner Rechtsprechung, Buchungen auf Arbeitszeitkonten betreffend. Auch diese stellen nach der Auffassung des BAG (lediglich) Wissens- nicht aber Willenserklärungen dar. Ebenso wenig lasse der Umstand, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer im Jahr 2015 an mindestens 32 Tagen Urlaub gewährt hatte, für sich genommen den Rückschluss auf eine entsprechende arbeitsvertragliche Änderung zu. 

Einordnung der Entscheidung

Der Entscheidung des BAG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie stellt sich als konsequente Fortführung der jüngsten urlaubsrechtlichen Rechtsprechung dar. Bemerkenswert ist aber, dass sich das BAG bereits in seiner Entscheidung vom 19. März 2019 (9 AZR 881/16) mit Urlaubsabgeltung und dem Erklärungsgehalt von dahingehenden arbeitgeberseitigen Mitteilungen auseinandergesetzt hat. Dort hat es – im Grundsatz parallel zu dem vorliegenden Fall – entschieden, dass die Mitteilung der Anzahl der verbleibenden Urlaubstage auf einer Entgeltabrechnung wiederum als reine Wissens-, nicht aber als Willenserklärung auszulegen sei. In dem dortigen Fall hat es aber des Weiteren geurteilt, dass dies ein verjährungshemmendes Anerkenntnis darstelle. Die in dem dortigen Fall verklagte Arbeitgeberin habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass die in der Entgeltabrechnung aufgeführten Urlaubsansprüche nach Grund und Höhe entstanden und nicht erfüllt seien. 

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt nochmals die Rechtsprechungsgrundsätze, die das BAG in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2019 aufgestellt hat. Insofern ist in jedem Falle sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer hinsichtlich ihres gesetzlichen Mindesturlaubs ordnungsgemäß belehrt werden. Des Weiteren ist im Rahmen der Arbeitsvertragsgestaltung dringend anzuraten, zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub einerseits und einem etwaigen arbeitsvertraglichen Mehrurlaub zu differenzieren. Insofern empfiehlt es sich, für den in der Praxis häufig gewährten Mehrurlaub abweichende Regelungen zu treffen. Insbesondere sollte geregelt werden, dass dieser am Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt – und zwar unabhängig von einer entsprechenden Information. Sofern Entgeltbescheinigungen die Anzahl der zustehenden Urlaubstage ausweisen, ist hierbei größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Bestenfalls sollte mit Blick auf die weitreichenden Folgen auf eine solche monatliche Aufstellung verzichtet werden. Die noch verbleibenden Urlaubstage können alternativ in einer zugänglichen Liste ausgewiesen werden, was einen weitaus risikoärmeren Weg darstellt.
 

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