30.07.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2019

Verfall von Urlaubsansprüchen – Teil II

In unserem Newsletter-Beitrag von März 2019, dem nur die Pressemitteilung Nr. 9/19 des BAG zum Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 541/15 zugrunde lag, sind wir auf die neue Rechtsprechung des BAG zur Belehrung des Arbeitgebers über bestehende Urlaubsansprüche eingegangen. In einem gleich gelagerten Fall (ebenfalls Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16) liegen nunmehr die Entscheidungsgründe des BAG vor, die nähere Hinweise zu den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Belehrung und den Folgen ihres Ausbleibens geben.

Das BAG hat entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3, 4 BUrlG) erlischt, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Mitarbeiter den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht nimmt.

Entsprechend den Vorgaben des EuGH (Urteil vom 06.11.2008 – C-684/16) legt das BAG § 7 Abs. 1 u. 3 BUrlG richtlinienkonform dahingehend aus, dass den Arbeitgeber eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Verwirklichung von Urlaubsansprüchen durch seine Mitarbeiter treffe. Seine Mitwirkung erfordere einen Hinweis auf den Urlaubsanspruch, eine Aufforderung den Urlaub zu nehmen und eine Belehrung zu den Folgen nicht genommenen Urlaubs. Nur bei Einhaltung dieser Mitwirkungsobliegenheit unterliege der Urlaubsanspruch der Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG und verfalle zum Ende des jeweiligen Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes. Der Arbeitgeber trage die Beweislast für die ordnungsgemäß von ihm erfüllte Mitwirkungsobliegenheit.

Wie muss der Mitarbeiter belehrt werden?

Der Arbeitgeber müsse sich bei der Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheit auf einen konkret bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine völlige Transparenz und hinreichende Klarheit genügen. Das BAG sieht diese Anforderungen dann als erfüllt an, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter in Textform über folgende Punkte unterrichtet:

  • Mitteilung, wie viele Urlaubstage dem Mitarbeiter im Kalenderjahr zustehen;
  • Aufforderung, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann;
  • Belehrung über die Konsequenzen, die eintreten, wenn der Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt wird. Hierbei sollte der Hinweis enthalten sein, dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Mitarbeiter in der Lage war seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt hat.

Damit hält das BAG eine individuelle Benachrichtigung der Mitarbeiter für notwendig. Die von uns dargelegte Möglichkeit, hierzu bestehende Informationskanäle – wie etwa die monatliche Gehaltsabrechnung – zu nutzen, dürfte nach wie vor dieser Anforderung genügen. In diesem Fall bleibt entscheidend, dass sich der Hinweis optisch deutlich abhebt und vollständig ist.

Ein generalisiertes Anschreiben an alle Mitarbeiter ist dagegen nicht ausreichend. Auch sonstige abstrakte Angaben erfüllen die arbeitgeberseitige Mitwirkungsobliegenheit nicht. Hierzu zählt das BAG Hinweise im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung (bspw. Betriebsvereinbarung). Solche abstrakten Hinweise seien keine konkrete und transparente Unterrichtung.

Wann und wie oft muss der Mitarbeiter belehrt werden?

Als möglichen Belehrungszeitpunkt nennt das BAG den Jahresbeginn. Dies ist zwar nicht zwingend, bietet sich zur Vereinfachung der Prüfung des jeweiligen Urlaubsanspruchs jedoch an. Zudem ist dies die sicherste Variante, um zu gewährleisten, dass jeder Mitarbeiter tatsächlich die Möglichkeit bekommt, seinen Urlaub rechtzeitig innerhalb des Urlaubsjahres zu nehmen.

Das BAG hält eine ständige Aktualisierung der Mitteilung, etwa anlässlich jeder Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruchs, nicht für erforderlich. Damit ist grundsätzlich eine jährlich einmalig erfolgende Belehrung ausreichend.
Der Arbeitgeber könne eine erfolgte Mitwirkungshandlung jedoch „entwerten“ und die Mitwirkungsobliegenheit wiederaufleben lassen, wenn er sich anschließend in Widerspruch zu seinen Erklärungen setzte. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitgeber eine Situation erzeuge, die geeignet sei, den Mitarbeiter davon abzuhalten, seinen Urlaub zu nehmen. Eine derartige Situation solle etwa dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber den Urlaubsantrag aus anderen als den in § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG genannten Gründen ablehne. In einem solchen Fall müsse der Arbeitgeber seine Mitwirkungshandlung erneut vornehmen, um die Befristung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG herbeizuführen.

Hat der Arbeitgeber den Mitarbeiter ordnungsgemäß belehrt und den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden, kann der Mitarbeiter seinen Urlaub aber aufgrund dringender betrieblicher oder in seiner Person liegender Gründe nicht innerhalb des Urlaubsjahrs nehmen, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, vgl. § 7 Abs. 3 S. 3 u. 4 BUrlG. Nimmt der Mitarbeiter seinen Urlaub auch nicht innerhalb des Übertragungszeitraums, verfällt dieser Urlaub nach Ansicht des BAG nur, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn bei Nichtinanspruchnahme auf dessen Erlöschen hinweist.

Folgen einer fehlenden Mitwirkung – kein Vertrauensschutz

Verfällt der Urlaub wegen einer ausgebliebenen Mitwirkung des Arbeitgebers nicht, so trete er bei Beginn des Folgejahres zum neu entstehenden Urlaubsanspruch hinzu. Für den Urlaubsanspruch aus dem vorangegangenen Jahr gelte weiterhin § 7 BUrlG. Die Mitwirkungshandlung könne also für den Urlaub aus dem zurückliegenden Jahr nachgeholt und dadurch die Befristung nach § 7 Abs. 3 BUrlG herbeigeführt werden. So könne der Arbeitgeber das Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren vermeiden.

Zu beachten ist, dass das BAG keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen aus vorangegangenen Jahren gewährt. Die vom BAG aufgestellten Rechtsgrundsätze gelten für Urlaubsansprüche ab Inkrafttreten der die Mitwirkungsobliegenheit bewirkenden unionsrechtlichen Vorschriften im Jahr 2003. Haben Mitarbeiter also seit 2003 in bestimmten Jahren keinen Urlaub genommen und wurden sie auch nicht entsprechend belehrt, so besteht der Urlaubsanspruch grundsätzlich auch heute noch. Damit stellt sich die Frage, inwieweit Urlaubsansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Dies ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Für die Praxis gilt insoweit, dass jedenfalls noch nicht genommene Urlaubsansprüche ab 2016 bislang nicht verjährt sind.

Fazit

Arbeitgeber sollten die Urlaubsansprüche Ihrer Mitarbeiter jährlich prüfen und nachweisbare individualisierte Mitarbeiter-Belehrungen in ihrem Unternehmen fest etablieren. Praktischerweise bietet es sich an, dies gleich zum Jahresbeginn zu erledigen.

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