11.03.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2019

Verfall von Urlaubsansprüchen

Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter nachweisbar auffordern ihren Urlaub zu nehmen und sie „klar und rechtzeitig“ auf die Folgen nicht genommenen Urlaubs hinweisen, anderenfalls verfällt der Urlaubsanspruch nicht.

In europarechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG entschied das BAG am 19. Februar 2019, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur noch dann am Ende eines Kalenderjahres erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15). Damit hat das BAG seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht entsprechend den Vorgaben des EuGH weiterentwickelt.

Hintergrund

Bis zur Vorabentscheidung des EuGH am 6. November 2018 galt im deutschen Urlaubsrecht folgender Grundsatz: Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG), sonst verfällt er. Eine Übertragung des Urlaubs auf das erste Quartal des Folgejahres ist nach dem Gesetz nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Hierfür müssen entweder dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen. Der übertragene Urlaub erlischt am 31. März, es sei denn, er kann wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG oblag es dem Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub geltend zu machen. Das hat sich nun geändert.

Auf Vorlage des BAG entschied der EuGH am 6. November 2018 (C-684/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft), dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht allein deshalb verlieren dürfe, nur weil er keinen Urlaub beantragt hat. Vielmehr sei der Arbeitgeber gehalten „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun.“ Nationale Regelungen, welche einen automatischen Verfall nicht genommenen Urlaubs zum Jahresende oder zum Ende eines Bezugszeitraums vorsehen, verstoßen, so der EuGH, gegen vorrangiges Unionsrecht und seien damit europarechtswidrig.

Aktuelle BAG Entscheidung vom 19. Februar 2019

Mit der Entscheidung vom 19. Februar 2019 legt das BAG das Bundesurlaubsgesetz nun entsprechend den Vorgaben des EuGH europarechtskonform aus.

Danach trifft zukünftig den Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs seiner Mitarbeiter. So muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nachweislich über ihren konkreten Urlaubsanspruch aufklären und rechtzeitig über die Folgen nicht genommen Urlaubs belehren. Nimmt der Arbeitnehmer in Kenntnis dieser Sachlage aus freien Stücken keinen Urlaub, verfällt der Urlaub weiterhin grundsätzlich am Jahresende. Die Beweislast für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs trägt im Streitfall der Arbeitgeber.

Eine Pflicht des Arbeitgebers den Urlaub einseitig festzusetzen, indem er den Arbeitnehmer zwangsbeurlaubt, besteht hingegen nicht.

Konsequenzen für die Praxis

Aufgrund der genannten Entscheidungen besteht für Arbeitgeber Handlungsbedarf.

Jeder Arbeitgeber sollte im Unternehmen einen für sich praktikablen Prozess etablieren, wie er die Arbeitnehmer alljährlich auffordert, bestehenden Resturlaub abzubauen und auf den ansonsten eintretenden Verfall ausdrücklich hinweist.

Wann? Damit die Aufforderung „rechtzeitig“ genug erfolgt und Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit bekommen Urlaub noch in Anspruch zu nehmen, sollten Arbeitgeber spätestens im letzten Jahresdrittel (z.B. im September) die Urlaubsrückstände ihrer Mitarbeiter überprüfen und aktiv werden.

In welcher Form? Wie die „Aufforderung“ letztlich umzusetzen sein wird, gibt die Rechtsprechung nicht vor. Fest steht, der Zugang der Belehrung muss sicher nachweisbar sein, weshalb eine bloß mündliche Aufforderung nicht in Betracht kommt. Aus Beweisgründen ist daher mindestens die Textform zu wählen. Arbeitgeber sollten sich den Empfang des entsprechenden Schreibens quittieren lassen oder Schreiben per E-Mail nur mit einer nachweisbaren Lesebestätigung versenden, sofern nicht andere regelmäßige Mitteilungswege eine sichere Kenntnisnahme bestätigen.

Individuell oder generalisierend? Unklar bleibt, ob der Arbeitgeber jeden einzelnen Arbeitnehmer über die ihm persönlich noch zustehenden Urlaubstage aufklären muss oder ob ein allgemeines an alle Arbeitnehmer gerichtetes Rundschreiben/Rundmail ausreicht. Sofern das BAG fordert, den Arbeitnehmer über „seinen konkreten Urlaubsanspruch“ zu belehren, ist daraus zu schließen, dass der Arbeitnehmer individuell aufzufordern ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob das BAG hierzu in seinen Urteilsgründen noch Ausführungen macht. Das persönliche Anschreiben wird jedenfalls derzeit den sichersten Weg darstellen. Um einen erhöhten Verwaltungsaufwand zu vermeiden, könnten in diesem Zusammenhang auch bereits bestehende Informationskanäle im Unternehmen genutzt werden. Beispielweise ließe sich die monatliche Gehaltsabrechnung, unter Angabe der konkreten Resturlaubstage, um eine sich optisch abhebende Aufforderung mit entsprechender Verfallsbelehrung ergänzen.

Inhalt? Welcher Mitteilungsweg auch genutzt wird, in jedem Fall muss eine entsprechende Urlaubsaufforderung den ausdrücklichen und offensichtlichen Hinweis enthalten, dass nicht genommener Urlaub verfällt und auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht finanziell abgegolten wird.

Schließlich ist zu bedenken, dass sich die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub beziehen. Vertraglicher Mehrurlaub steht nach wie vor zur freien Disposition der Parteien, sofern er denn gesondert geregelt wird. Daher sollten Arbeitgeber mehr denn je darauf achten, in Arbeitsverträgen zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub zu unterscheiden. So ließe sich eine Klausel aufnehmen, wonach sich der Arbeitnehmer verpflichtet, den vertraglichen Mehrurlaub bis zum Ende eines Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums (z.B. zum 31. März des Folgejahres) zu nehmen. Der Hinweis auf den anderenfalls eintretenden ersatzlosen Verfall sollte auch hier nicht fehlen.

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