Update Gesellschaftsrecht/M&A Nr. 16
Aktuelle Gerichtsentscheidungen zur virtuellen Hauptversammlung
Das LG Frankfurt/M. (Urteil v. 23. Februar 2021 – Az.: 3-05 O 64/20) sowie das LG Köln (Hinweisbeschluss v. 26. Februar 2021 – 82 O 53/20) haben zu verschiedenen grundlegenden Fragen der Gestaltung einer virtuellen Hauptversammlung Stellung genommen. Für den Praxisanwender ergibt sich hieraus ein bedeutsames Mehr an Rechtssicherheit.
Einschränkung des Frage- und Antragsrechts
Beide Gerichte bestätigten zunächst, dass die Regelungen über die virtuelle Hauptversammlung im sogenannten COVMG nicht verfassungswidrig oder europarechtswidrig sind. Dies wurde von verschiedenen Aktionärsgruppen anders gesehen. Das LG Köln schränkt dies dabei dahingehend ein, dass sich dies ändern könnte, wenn die technischen Möglichkeiten, eine „echte“ virtuelle HV mit Online-Konversation durchzuführen, flächendeckend zur Verfügung stehen. Da die aktuelle Gesetzeslage bis Ende 2021 beschränkt ist, spielt dies derzeit keine Rolle, kann aber bei der laufenden Diskussion über die virtuelle HV der Zukunft relevant sein. Daneben ging es um verschiedene Einzelfragen, die in der Praxis der virtuellen HV in den letzten zwölf Monaten diskutiert wurden.
Zunächst hielt das LG Frankfurt/M. fest, dass zulässigerweise Aktionärsanträge, einschließlich Geschäftsordnungsanträge, in einer laufenden Hauptversammlung ausgeschlossen sind, wenn die Gesellschaft den Aktionären ermöglicht, Anträge und Wahlvorschläge unter Einhaltung der 14-Tage-Frist gem. §§ 126, 127 AktG zu stellen. Die Frage, ob selbst solche angekündigten Anträge faktisch ins Leere laufen, weil der Aktionär diese – wie eigentlich notwendig – in der Versammlung nicht noch einmal zur Abstimmung stellen kann, hat sich inzwischen erledigt. In § 1 Abs. 2 S. 3 COVMG n.F. hat der Gesetzgeber für die HV Saison 2021 die sog. „Fiktionslösung“ gesetzlich normiert. Anträge oder Wahlvorschläge von Aktionären, die im Vorfeld der Hauptversammlung bei der Gesellschaft eingehen und von ihr zugänglich zu machen sind, (§§ 126, 127 AktG) gelten als „in“ der Versammlung gestellt.
Richtige Berechnung der Frist für Aktionärsfragen
Die Deutsche Bank AG legte für ihre letztjährige HV fest, dass Aktionärsfragen bis spätestens zum Ablauf des dritten Tages vor der Versammlung einzureichen sind. Ob das geht oder ob die Aktionäre einen Tag mehr bekommen müssen (und damit die Gesellschaft einen Tag weniger zur Vorbereitung der Antworten zur Verfügung hat), ist umstritten. Das LG Frankfurt/M. hält die Vorgehensweise, zwei volle Tage zwischen Ende der Möglichkeit Fragen einzureichen und dem Tag der Hauptversammlung anzusetzen, für zulässig. Da die Entscheidung allerdings nur unterinstanzlich ist und der Hinweisbeschluss des LG Köln hierzu nichts sagt, verbleibt hier weiterhin ein Risiko. Nach der für die HV 2021 geänderten Gesetzeslage ist die Frist auf jeden Fall um einen Tag verkürzt. Wer vorsichtig ist, lässt Fragen also bis zum Ablauf des Tages unmittelbar vor der HV zu.
Wahl der virtuellen Form kein Ermessensfehlgebrauch
Sehr wichtig für die Praxis ist die Frage, ob nur in bestimmten Situationen die Durchführung einer virtuellen Versammlung in Betracht kommt und der Vorstand im Einzelfall prüfen muss, ob nicht bevorzugt eine physische Versammlung durchzuführen ist. Letzteres wird in beiden Entscheidungen richtigerweise abgelehnt. Der Gesetzgeber hat ein Wahlrecht eröffnet und, wie das LG Frankfurt/M in zutreffender Weise ausführt, ist die diesbezügliche Entscheidung von einer Überprüfung im Wege der Anfechtungsklage ausgenommen.
Aushändigung eines Teilnehmerverzeichnisses
Ob schließlich im virtuellen Versammlungsformat eine Pflicht besteht, Aktionären gem. § 129 Abs. 4 AktG ein Teilnehmerverzeichnis auszuhändigen, lässt das LG Frankfurt/M. offen. Aus Sicht der Praxis fragt man sich sehr, ob die jetzt häufig genutzte Lösung, das Teilnehmerverzeichnis kurz in die Kamera zu halten, wirklich einen Mehrwert bringt. Vor allem dann, wenn man das Verzeichnis so ausgestaltet, dass dort nur der Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft genannt ist, ist der inhaltliche Wert Null. Richtigerweise beschäftigt das LG Frankfurt/M. sich mit den Details hierzu gar nicht, weil Fehler in dem Bereich, wenn es sie denn gäbe, keinen Anfechtungsgrund begründen.