09.04.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juli 2014

Anspruch einer Krankenschwester, nicht für Nachtschichten eingeteilt zu werden

BAG, Urteil vom 9.4.2014, 10 AZR 637/13 Pressemitteilung Nr. 16/14

Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.

Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, inwieweit eine Schichtarbeiterin arbeitsunfähig erkrankt ist, weil sie aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschicht mehr leisten konnte. Die Klägerin war als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeitsvertraglich war sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Die Klägerin konnte aus gesundheitlichen Gründen die Nachtschicht von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr nicht leisten. Grund hierfür war eine medikamentöse Behandlung der Klägerin, die zum Einschlafen führte. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung wurde die Klägerin nach Hause geschickt, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit vermeintlich arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot daraufhin ihre Arbeitsleistung – mit Ausnahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an, die die Beklagte nicht annahm.

Das Arbeitsgericht Potsdam gab der auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichteten Klage statt. Die von der Beklagten eingelegte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sowie die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht blieben erfolglos.

Keine Arbeitsunfähigkeit

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, die Klägerin sei weder arbeitsunfähig krank, noch sei ihre Arbeitsleistung unmöglich geworden. Denn die Klägerin könne weiterhin alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Es sei ihr lediglich nicht möglich, die Nachtschichten auf Grund der medikamentösen Behandlung durchzuführen. Die Beklagte hätte daher die gesundheitlichen Defizite bei der Schichteinteilung berücksichtigen müssen.

Arbeitgeberseitges Direktionsrecht

Das Direktionsrecht der Beklagten war auch nicht durch die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung eingeschränkt. Die maßgebliche Betriebsvereinbarung sah nämlich eine gleichmäßige Planung u. a. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche der Arbeitnehmer vor.

Die Klägerin konnte auf Grund des ordnungsgemäßen Angebots der Arbeitsleistungen von der Beklagten ihre Vergütung fordern, weil sich die Beklagte durch die erklärte Nichtannahme der Arbeitsleistungen im Annahmeverzug befand.

Der Arbeitgeber hat zwar nach § 106 S. 1 und 3 GewO einen Ermessensspielraum bei der Gestaltung von Dienstplänen. Dies berechtigt den Arbeitgeber jedoch nicht zu einer einseitigen Festlegung der Dienstpläne, ohne die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Denn die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers entspricht erst billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

Allein das Interesse eines Arbeitgebers an einer gleichmäßigen Schichteinteilung kann grundsätzlich gegenüber einer zu berücksichtigenden Leistungsbeschränkung eines Arbeitnehmers kein betriebliches Bedürfnis darstellen, dass zu Gunsten des Arbeitgebers überwiegt. 

Fazit

Die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts können für die Praxis höchst problematisch sein. Denn der gesundheitlich bedingte Ausfall eines Arbeitnehmers für den Nachtschichtbetrieb führt zu einer Verdichtung von Nachtschichten bei denjenigen Arbeitnehmern, die nicht über eine solche partielle Krankschreibung verfügen. Eine entscheidende Frage wird es daher sein, wann die Interessen des Arbeitgebers überwiegen, eine rotierende Schichteinteilung durchzuführen, wenn mehrere Arbeitnehmer wegen Nachtdienstuntauglichkeit ausscheiden.

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