Update Arbeitsrecht Juli 2023
Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.04.2023 – 5 Sa 26/22
Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass sich die Vertragsparteien über (vermeintlich) noch offene Ansprüche streiten. Vor diesem Hintergrund werden häufig sogenannte Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen vereinbart, wonach Ansprüche innerhalb einer bestimmten (Ausschluss-)Frist geltend gemacht werden müssen, um nicht zu verfallen. Werden die Ansprüche dann nicht fristgemäß geltend gemacht, so verfallen sie und sind für den Anspruchssteller nicht mehr durchsetzbar.
In diesem Zusammengang hatte sich das LAG Mecklenburg-Vorpommern zuletzt mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Rückzahlungsanspruch eines Arbeitgebers auf gezahlten Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes des Arbeitnehmers aufgrund einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel nicht mehr durchsetzbar ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Rückzahlung von bereits gezahlten Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes. Die klagende Arbeitgeberin beschäftigte den beklagten Arbeitnehmer als Kfz-Meister in Vollzeit. Der letzte Änderungsvertrag datiert vom 11.01.2001. In diesem Änderungsvertrag war folgende Ausschlussklausel aufgenommen worden:
„Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (z.B. aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u.ä.) sind innerhalb von zwei Monaten geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.“
Die Klägerin sprach gegenüber dem Beklagten mehrere Kündigungen aus. Gegen diese Kündigungen erhob der Beklagte jeweils Kündigungsschutzklage. Die letzte Kündigung sprach die Klägerin zum 31.03.2021 aus. Auch diese Kündigung griff der Beklagte gerichtlich an.
Die Kündigungsschutzklage des Beklagten gegen die vorsorglich zum 31.03.2021 ausgesprochene Kündigung, wies das Arbeitsgericht ab. Im Zuge dessen bot die Klägerin dem Beklagten unter dem 15.12.2020 eine Vereinbarung über eine Prozessbeschäftigung an, die der Beklagte auch annahm. Die Vereinbarung sah unter anderem vor, dass der Beklagte unter Fortzahlung der Vergütung bis zum 31.03.2021 freigestellt wird. Gleichzeitig musste er sich laut Ziffer 4 der Vereinbarung einen etwaig erzielten Zwischenverdienst gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen.
Während des Freistellungszeitraums nahm der Beklagte am 01.09.2020 bei einem anderen Arbeitgeber eine neue Beschäftigung auf. Die Klägerin erfuhr hiervon zunächst nichts. Dementsprechend erhielt der Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum Januar bis März 2021 ein Nettogehalt in Höhe von insgesamt EUR 4.040,33.
Nach den erfolgten Gehaltszahlungen erfuhr die Klägerin jedoch, dass der Beklagte bereits am 01.09.2020 eine neue Beschäftigung aufgenommen und anderweitige Vergütung erzielt hatte, ohne diese vereinbarungsgemäß anzurechnen. Die Klägerin machte daher einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von EUR 4.040,33 gegen den Beklagten geltend.
Die Klägerin war in der 1. Instanz mit ihrer Klage dem Grunde nach erfolgreich. Das Arbeitsgericht Stralsund entschied, dass der Rückzahlungsanspruch insbesondere nicht nach der vertraglichen Ausschlussklausel verfallen sei, da die Klägerin ihren Anspruch rechtzeitig geltend gemacht habe.
Entscheidung
Der Beklagte erhob daraufhin Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern. Dieses wies die Berufung des Beklagten jedoch zurück.
In seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zunächst festgestellt, dass der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht, weil sich der Beklagte nach Ziffer 4 der Vereinbarung über die Prozessbeschäftigung den im Zeitraum von Januar bis März 2021 anderweitig bezogenen Verdienst hätte anrechnen lassen müssen. Dies habe er jedoch nicht getan.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern geht sodann auf die Frage ein, ob die vertragliche Ausschlussklausel dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin entgegenstehen könnte. Hierzu wird ausgeführt, dass die Sätze 1 und 2 der Klausel, die eine Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb bestimmter Fristen fordern, sich zwar auf gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis beziehen. Welche rechtlichen Folgen eine nicht rechtzeitige Geltendmachung seitens des Arbeitgebers nach sich zieht, ergebe sich aus den Sätzen 1 und 2 allerdings nicht. Die erst in Satz 3 beschriebene Rechtsfolge, nämlich die Verwirkung des Anspruchs nach Ablauf der vorgenannten Fristen, trete nur ein, wenn der Anspruch „dem Arbeitgeber gegenüber“ nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde. Eine Verwirkung von Ansprüchen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer sehe die Klausel ihrem Wortlaut nach hingegen nicht vor. Folglich verwirken Ansprüche des Arbeitgebers nicht nach Ablauf der genannten Fristen, sondern nur solche des Arbeitnehmers.
Im Ergebnis hält das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Ausschlussfristen AGB-rechtlich für unwirksam: Zum einen handele es sich um eine einseitige Ausschlussfrist, die unzulässigerweise nur dem Arbeitnehmer die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwere. Daneben fehle bei der 2-Monats-Frist in Satz 1 der Klausel eine notwendige Regelung zum Beginn der Frist. Schließlich enthalte die 3-Monats-Frist in Satz 2 zwar einen konkreten Zeitpunkt für den Fristbeginn, sie gelte aber nur für Ansprüche, die aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herrühren. Der Anspruch auf Erstattung unberechtigt bezogenen Lohns falle nicht darunter.
Praxistipp
Auch wenn der Arbeitgeber in diesem Fall von der Unwirksamkeit der Ausschlussfristen im Ergebnis zwar profitiert hat, zeigt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, dass bei der Ausgestaltung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen stets Sorgfalt geboten ist.
Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen sind insbesondere aus Arbeitgebersicht in der Regel sehr sinnvoll. Denn sie können nach Ablauf der vereinbarten Ausschlussfrist für Rechtssicherheit sorgen. Dadurch können oft nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Folgeauseinandersetzungen über Zahlungsansprüche ehemaliger Mitarbeiter vermieden werden.
Ungeachtet dessen sind arbeitsvertragliche Ausschlussfristen allerdings nur dann wirksam, wenn sie sich auf beide Vertragsparteien beziehen, den Fristbeginn regeln und mindestens drei Monate betragen. Hierauf ist bei der Vertragsgestaltung zu achten.
Ferner ist es für Arbeitgeber empfehlenswert, stets zu prüfen, ob und inwieweit Ansprüche gegen den Arbeitnehmer bestehen, damit diese dann auch innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen geltend gemacht werden können.