Update Arbeitsrecht Januar 2023
Ausschluss von Bonusansprüchen im Jahr des Ausscheidens
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13.09.2022 – 14 Sa 277/22
Wenn ein Sozialplan für den Fall des Ausscheidens eines Arbeitnehmers einen (anteiligen) Bonus „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“ vorsieht und die betreffende Konzernbetriebsvereinbarung normiert, dass Mitarbeiter einen Bonus erhalten, „sofern das Unternehmen […] eine Bonusgewährung vorsieht“, dann hat der ausscheidende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf den Bonus, wenn aufgrund einer Entscheidung im Konzern auch im Unternehmen des Arbeitgebers kein Bonus für das Jahr des Ausscheidens gewährt wird.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitgeber dem Kläger einen Jahresbonus für das Jahr seines Ausscheidens zahlen muss.
Der seit 1985 im konzernzugehörigen Unternehmen des Arbeitgebers beschäftigte Kläger war der Auffassung, dass er aus seinem Aufhebungsvertrag in Verbindung mit dem Rahmensozialplan des Unternehmens und der Konzernbetriebsvereinbarung einen Anspruch auf Zahlung eines Bonus auch im Jahr seines Ausscheidens habe.
Der Kläger schied auf Grundlage eines Aufhebungsvertrags aus dem Jahr 2016 mit Ablauf des 31. Dezember 2020 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Hierin regelten die Parteien, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrags sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sind, mit Ausnahme etwaiger Ansprüche des Klägers gem. § 12 des Rahmensozialplans auf den (anteiligen) Jahresbonus“.
Der Rahmensozialplan sieht je nach Austrittsdatum im Jahr des Ausscheidens Berechnungsfaktoren für den Bonus „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“ vor. Ferner bestimmt er, dass im Hinblick auf die Zahlung von Boni in den Tochterunternehmen die Konzernbetriebsvereinbarung über das Bonussystem aus dem Jahr 2012 gilt.
Aus der Präambel der Konzernbetriebsvereinbarung lässt sich entnehmen, dass ein jährlicher Bonus gewährt wird, „sofern das Unternehmen […] eine Bonusgewährung vorsieht“.
Im Jahr 2020 zahlte der Arbeitgeber bis zum 31. Mai 2020 ausgeschiedenen Arbeitnehmern noch anteilige Boni. Per E-Mail teilte der CEO des Konzerns im Juni 2020 allen Mitarbeitern mit, dass Boni für das Jahr 2020 unwahrscheinlich seien. Entsprechend dieser Ankündigung erhielt der Kläger bei seinem Ausscheiden keinen Bonus.
Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Auch das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus Sicht des LAG ergebe sich ein Zahlungsanspruch weder aus dem Rahmensozialplan noch aus der Konzernbetriebsvereinbarung. Ein Anspruch sei auch nicht unter dem Aspekt arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung gegeben.
Der Rahmensozialplan setze infolge der Formulierung „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“ eine schon bestehende Bonusregelung für das jeweilige Kalenderjahr voraus. Der dortige Verweis auf die Konzernbetriebsvereinbarung führe nur dann zu einem Bonusanspruch, wenn für das betreffende Kalenderjahr überhaupt eine Bonusgewährung seitens des Arbeitgebers vorgesehen sei.
Allein durch das Benennen der Voraussetzungen für das „Ob“ der Bonusgewährung (Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Ausscheidens im Kalenderjahr) sowie zur Höhe des Bonus (Aufzählung bestimmter Faktoren) werde kein von der Konzernbetriebsvereinbarung unabhängiger Anspruch geschaffen.
Im Rahmen der Präambel der Konzernbetriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien mit den Worten „sofern das Unternehmen […] eine Bonusgewährung vorsieht“ zum Ausdruck gebracht, dass sie lediglich die Verteilungsgrundsätze für die Bonusgewährung festlegen wollen (Wie) und sich die einzelnen Tochterunternehmen als Arbeitgeber gerade nicht verpflichten möchten, jedes Jahr einen Bonus zu gewähren (Ob).
Ferner beinhalte die Zahlung eines anteiligen Bonus an die bis zum 31. Mai 2020 ausgeschiedenen Mitarbeiter auch nicht die Entscheidung des Arbeitgebers, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens einen Bonus gewähren zu wollen.
Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet gewesen, sich im Rahmensozialplan oder in der Konzernbetriebsvereinbarung ausdrücklich die jährliche Entscheidung vorzubehalten, ob ein Bonus gewährt wird. Dies ergebe sich zweifelsfrei im Wege einer Auslegung.
Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die vor (Bonusgewährung) bzw. nach dem 31. Mai 2020 (keine Bonusgewährung) ausgeschieden sind, sei sachlich gerechtfertigt. Denn die Auszahlungen bis zum 31. Mai 2020 beruhten auf der Annahme, dass es wie in den Vorjahren zu einer erneuten Bonuszahlung kommen werde. Diese letztlich unzutreffende Annahme wurde den Arbeitnehmern bereits per E-Mail im Juni 2020 bekannt gegeben und konsequent durch die Nichtgewährung von Bonuszahlungen an die im Jahr 2020 später ausscheidenden Arbeitnehmer umgesetzt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger hat gegen das Urteil Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt (10 AZR 337/12).
Praxistipp
Die Entscheidung zeigt auf, dass eine Regelung im Rahmensozialplan, die sich mit den Bewertungsfaktoren eines etwaigen Bonus auseinandersetzt, keinen Anspruch auf einen solchen Bonus impliziert.
Das Urteil bestätigt zudem, dass ein Rahmensozialplan, der auf eine Konzernbetriebsvereinbarung verweist, die wiederum auf die Regelungen der jeweiligen Konzernunternehmen (zurück) verweist, Transparenzanforderungen (noch) genügt, sodass Arbeitnehmer hinreichend vorhersehbar bestimmen können, ob ihnen ein Anspruch auf Bonusgewährung zusteht.
Um keinen Ansprüchen auf Boni ausgesetzt zu sein, sollten Arbeitgeber dennoch auf klare und überschaubare Regelungen in Vereinbarungen mit dem Betriebsrat achten. Der Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck muss eindeutig zum Ausdruck kommen (BAG 18.03.2020 – 5 AZR 36/19, BAG 21.01.2020 – 3 AZR 565/18). Je deutlicher und transparenter die Voraussetzungen und Faktoren für eine etwaige Bonusgewährung von der Entscheidung des Arbeitgebers, sich verbindlich zur Zahlung von Boni zu verpflichten, abgegrenzt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Gericht dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung eines Bonus versagen wird. Das Urteil zeigt, dass es sich lohnt, die gem. § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Regelungen zu den Verteilungsgrundsätzen für Boni sauber von der Entscheidung des Arbeitgebers zu trennen, ob überhaupt ein Bonustopf zur Verfügung gestellt wird.