Update Arbeitsrecht Februar 2022
Ausschlusstatbestände in Versorgungsregelungen müssen klar und verständlich sein
BAG, Urteil vom 2.12.2021 – 3 AZR 212/21
Das BAG hat entschieden, dass Ausschlusstatbestände einer betrieblich zugesagten Hinterbliebenenrente klar und deutlich formuliert sein müssen. Sind Ausschlussgründe explizit benannt, kommen auch nur diese in Betracht.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann.
Der Ehemann der Klägerin war bis zum Jahr 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte hatte ihren Mitarbeitern – unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge aufgrund einer Betriebsvereinbarung zugesagt. Die Altersvorsorge wurde durch eine Unterstützungskasse durchgeführt, deren Leistungsplan und Leistungsverzeichnis nach der Betriebsvereinbarung Anwendung fand. Das Leistungspaket umfasste unter anderem eine Hinterbliebenenversorgung.
Das Leistungsverzeichnis der Unterstützungskasse sah in Bezug auf die Hinterbliebenenrente explizite Ausschlussgründe vor. Eine Hinterbliebenenrente sollte danach entfallen, wenn
- die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist oder
- die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde.
Der Ehemann der Klägerin erwarb bis zu seinem Ausscheiden eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen aus der Versorgungszusage der Beklagten.
Die Klägerin schloss im Jahr 2010 die Ehe mit dem versorgungsberechtigten Ehemann noch bevor dieser Altersrentenzahlungen beanspruchen konnte. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2018 begehrte die Klägerin Zahlung der ihrem Ehemann zugesagten Hinterbliebenenversorgung.
Nachdem die Unterstützungskasse ihr Ansinnen abgelehnt hatte, erhob die Klägerin Zahlungsklage. Ein Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung sei für den Fall der Klägerin nicht vorgesehen. Die Ausschlusstatbestände des Leistungsplans der Unterstützungskasse sähen lediglich zwei Ausschlussgründe vor (Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens geschieden, Ehe nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen), die beide nicht vorlägen.
Die Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente – ausweislich der vertraglichen Regelungen des Leistungsverzeichnisses – voraussetze, dass die Ehe im Zeitraum des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten (also bis 1999) geschlossen wurde.
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hatte die Klage zunächst als begründet erachtet, das LAG Bremen das Urteil dann aber am 14. Januar 2021 dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird (Az. 2 Sa 123/19).
Entscheidung des BAG
Das BAG gab der Klägerin Recht. Dieses Ergebnis folge aus der Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen. Das LAG Bremen sei insoweit zu einem falschen Auslegungsergebnis gekommen.
Betriebsvereinbarungen seien aufgrund ihres normativen Charakters nach den Grundlagen der Auslegung von Gesetzen auszulegen. Das ist, soweit es um den normativen Teil von Betriebsvereinbarungen geht, nichts Neues. Danach ist der objektive Erklärungswert nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Gesamtzusammenhang zu ermitteln.
Bestimmungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung müssen hinreichend klar und verständlich sein. Das gelte im Besonderen für Regelungen, die Leistungen ausschließen. Es müsse für den Arbeitnehmer klar erkennbar sein, in welcher Höhe er bzw. seine Hinterbliebenen Leistungen beanspruchen können, um etwaige Versorgungslücken schließen zu können. Das ergebe sich letztlich aus dem Gebot der Bestimmtheit und der Normenklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.
Die Hinterbliebenenversorgung diene typischerweise der Absicherung des Risikos, das sich aus dem Wegfall des Unterhalts ergebe. Die dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes nahestehenden Personen, sollen abgesichert werden. Nach dieser typischen Betrachtung sei der Zeitpunkt der Eheschließung nicht von Belang. Dass eben dieses vertragstypische Risiko ((Wieder-) Heirat nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis) im vorliegenden Fall nicht abgesichert gewesen sein soll, sei nicht erkennbar.
Das Leistungsverzeichnis treffe in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung eine explizite Regelung. Wenn im Rahmen dieser Leistungszusage Ausschlusstatbestände explizit benannt werden, zeige das im Umkehrschluss, dass keine weiteren Ausschlusstatbestände gewollt waren. Andernfalls hätte es nahegelegen, einen weiteren Ausschlussgrund für den Bezug der Hinterbliebenenversorgung explizit zu benennen. Dass eine Versorgungszusage nur für Ehegatten gelte, die im Zeitraum des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits mit dem Verstorbenen verheiratet waren, sei dem Leistungsverzeichnis – anders als das LAG angenommen hatte – nicht zu entnehmen. Eine Wiederheirat nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (also vor Eintritt des Versorgungsfalles) sei folglich unschädlich.
Praxishinweise
Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, wie wichtig klare und verständliche Regelungen im Rahmen von Versorgungszusagen sind. Ausschlussgründe für den Bezug von Leistungen werden sich in vielen Versorgungszusagen (bzw. deren vertraglichen Regelungen) finden.
Das BAG hat eine deutliche Vertragsgestaltung nicht zum ersten Mal betont. Auch in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2021 (Az. 3 AZR 445/20) kommt das BAG zu dem Schluss, dass eine Bezugnahme hinreichend deutlich sein muss, anderenfalls entfalte sie keine Wirkung.
Dass die Bestimmtheit allerdings auch seine Grenzen hat, wird im Beschluss des BAG vom 18. Februar 2020 (Az. 3 AZN 954/19) deutlich. Danach ist die Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung auf eine namentlich benannte Witwe unzulässig. Eine solche Klausel greife in das typische Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers ein, den aktuellen Ehepartner absichern zu wollen.
Arbeitgeber sollten tätig werden und regelmäßig ihre Versorgungszusagen bzw. Versorgungsordnungen auf einen klaren und verständlichen Regelungsgehalt sowie die Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des BAG prüfen (lassen). Unklare oder fehlende Regelungen können zu mehr oder höheren Ansprüchen von Versorgungsempfängern und damit verbundenen finanziellen Belastungen führen, das gilt nicht nur für die Hinterbliebenenversorgung.
Dabei wäre es bedenkenswert, die Anspruchsvoraussetzungen (klar und deutlich) positiv zu formulieren und nicht – wie vorliegend – negativ durch das Verwenden von Ausschlusstatbeständen. Damit wird die Problematik nicht bedachter Ausschlussgründe umgangen.