29.07.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juli 2024

Außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Teilnahme an „Potsdamer Treffen"

ArbG Köln 03.07.2024 - 17 Ca 543/24

Wegen der Teilnahme einer Arbeitnehmerin am sogenannten „Potsdamer Treffen“ hatte die Stadt Köln als Arbeitgeberin gegenüber dieser mehrere außerordentliche fristlose Kündigungen ausgesprochen. Mit Urteil vom 03. Juli 2024 (Az. 17 Ca 543/24) hat das Arbeitsgericht Köln entschieden, dass die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam waren.

Bislang liegen die vollständigen Entscheidungsgründe zu dem Urteil noch nicht vor.

Sachverhalt

Die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 64 Jahre alte Klägerin war seit dem Jahr 2000 zuletzt als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Stadt Köln beschäftigt. Eine ordentliche Kündigung der Klägerin war tarifvertraglich ausgeschlossen. Am 25. November 2023 nahm die Klägerin an dem sogenannten „Potsdamer Treffen“ in der Villa Adlon in Potsdam teil, über das bundesweit in den Medien berichtet wurde. Gegenstand der Medienberichterstattung waren dabei sowohl inhaltliche Enthüllungen als auch die Vernetzung zwischen der AfD und anderen Angehörigen der rechtsextremen Szene.

Daraufhin sprach die Stadt Köln gegenüber der Arbeitnehmerin mehrere außerordentliche fristlose Kündigungen aus. Zur Begründung führte die Stadt Köln aus, die Klägerin habe durch die Teilnahme an dem Treffen, an dem mutmaßlich auch Angehörige der rechtsextremen Szene teilgenommen haben und bei dem unter anderem Remigrationspläne diskutiert wurden, gegen ihre Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.

Dagegen wehrte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Köln.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB liege nicht vor.

Allein die Teilnahme an dem sogenannten „Potsdamer Treffen“ rechtfertige in dem konkreten Fall keine außerordentliche fristlose Kündigung. Das zu erwartende Maß an Loyalität und Treue zu einem öffentlichen Arbeitgeber hänge maßgeblich von der Stellung und von dem Aufgabenbereich des betroffenen Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer schulde lediglich das Maß an politischer Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber, welches für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unabdingbar sei. Aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Stadt Köln treffe die Klägerin lediglich eine einfache und - anders als bei Beamten - jedenfalls keine gesteigerte politische Treuepflicht.

Eine Verletzung dieser einfachen Treuepflicht liege nur bei einem Verhalten vor, welches in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet ist, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen. Allein aus der Teilnahme der Klägerin an dem sogenannten „Potsdamer Treffen“ könne jedoch nicht der Rückschluss gezogen werden, die Klägerin habe sich in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der auf dem Treffen präsentierten Beiträge befunden. Die Beklagte habe - was zutrifft - auch kein aktives Eintreten der Klägerin für verfassungsfeindliche Ziele, z.B. durch das Anbringen eigener Wortbeiträge im Rahmen des „Potsdamer Treffens“, behauptet. Vielmehr stützte sie die erste außerordentliche fristlose Kündigung allein auf die Teilnahme der Klägerin an dem Treffen.

Die Entscheidung ist bislang nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Praxishinweis

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist die in der arbeitsrechtlichen Praxis häufig aufkommende Frage, inwieweit Arbeitgeber ein außerdienstliches Verhalten ihrer Arbeitnehmer zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nehmen dürfen.

Dabei folgt das Arbeitsgericht Köln der bisherigen Rechtsprechungslinie, wonach ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers den Arbeitgeber erst dann zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt, wenn ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht. Ein solcher Bezug zum Arbeitsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer bei seinem außerdienstlichen Verhalten entweder einen Bezug zu seinem Arbeitgeber herstellt oder wenn das Arbeitsverhältnis durch das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers konkret beeinträchtigt wird (vgl. etwa BAG Urt. v. 10.09.2009 - 2 AZR 257/08, NZA 2010, 220). Ein solcher Bezug zum Arbeitsverhältnis ist durch die bloße Teilnahme der Klägerin am „Potsdamer Treffen“ im vorliegenden Fall richtigerweise nicht gegeben.

Zwar treffen die Klägerin als Angestellte im öffentlichen Dienst besondere Rücksichtnahme- und Treuepflichten gegenüber der Stadt Köln als ihrer Arbeitgeberin. Diese besonderen Treuepflichten haben jedoch Grenzen, die zu beachten sind. Betrachtet man vorliegend die konkrete Tätigkeit der Klägerin, die als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt beschäftigt war, so muss man dem Arbeitsgericht Köln dahingehend zustimmen, dass die Teilnahme der Klägerin am „Potsdamer Treffen“ der Verrichtung dieser Tätigkeit nicht entgegensteht. Für ihre konkrete Tätigkeit wäre es nicht unabdingbar gewesen, von einer Teilnahme an dem Treffen abzusehen. Etwas anderes würde eventuell dann gelten, wenn die Klägerin mit einer Tätigkeit betraut gewesen wäre, bei der sie überwiegend mit den Anliegen ausländischer Staatsangehöriger konfrontiert wäre. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Arbeitgebern ist aufgrund der gesteigerten Komplexität der vorliegenden Thematik - auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln - zu raten, eine sorgfältige Abwägung vorzunehmen und gegebenenfalls Rechtsrat einzuholen, bevor sie auf das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers mit dem Ausspruch einer Kündigung reagieren.

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