Update Arbeitsrecht Februar 2022
Außerordentliche Kündigung wegen Kopierens und Weitergabe eines E-Mail Anhangs an Dritte
LAG Köln 2.11.2021 – 4 Sa 290/21
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) hat entschieden, dass das Lesen, Kopieren und die Weitergabe einer E-Mail und eines E-Mail Anhangs (Inhalt war ein privater Chatverlauf), welche offensichtlich an einen anderen Adressaten gerichtet sind, im Einzelfall eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Dies gilt auch, wenn auf das E-Mail-Konto zur Erfüllung von dienstlichen Aufgaben zugegriffen werden durfte.
Sachverhalt
Die Klägerin war in der Verwaltung, unter anderem in der Buchhaltung, seit 23 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Teil eines Kirchenkreises. Im Rahmen ihrer Arbeitsaufgaben durfte die Klägerin auf das E-Mail-Konto der Kirchengemeinde zugreifen.
Im Jahr 2019 gewährte die Beklagte Frau A Kirchenasyl. Der Pfarrer der Beklagten und die asylsuchende Frau hatten im Jahr 2019 eine Beziehung. Es war ein Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer wegen eines möglicherweise strafrechtlichen Fehlverhaltens in diesem Zusammenhang anhängig.
Im November 2019 übersandte der Vorgesetzte des Pfarrers diesem eine E-Mail, in welcher er erklärte, dass sich die schutzsuchende Frau in einer bestimmten Gemeinde aufhalte. Laut der Klägerin soll der Vorgesetzte den Pfarrer in dieser E-Mail auch auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren aufmerksam gemacht haben. Die Klägerin las diese E-Mail und druckte sie aus. Des Weiteren öffnete die Klägerin im selben E-Mail-Konto eine E-Mail, welche als Anhang einen privaten Chatverlauf zwischen dem Pfarrer und der Asylsuchenden hatte. Diese Datei kopierte sie auf einen USB Stick. Diesen warf die Klägerin anonym und ohne weiter Erklärung in den Briefkasten einer ihr bekannten Dritten. Die Dritte war zwar Gemeindemitglied, hatte aber keine offizielle Funktion. Erst später übergab die Klägerin den Chatverlauf auch der Staatsanwaltschaft.
Im August 2020 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer ein. Nachdem der „Datenklau“ aufgefallen und aufgeklärt wurde, kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos.
Wichtiger Grund
Das LAG erklärte die Kündigung für wirksam. Es liege ein „an sich“ geeigneter Grund vor, der eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertige. Die Klägerin habe rechtswidrig E-Mails geöffnet und gelesen, die offensichtlich nicht für sie bestimmt gewesen seien. Noch schwerer wiege allerdings, dass sie die E-Mail ausgedruckt und die kopierten Daten einer außenstehenden Dritten habe zukommen lassen.
Die Klägerin war nur zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben berechtigt, auf E-Mails zuzugreifen. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass die E-Mail weder für sie bestimmt gewesen sei, noch, dass sie diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben lesen müsse. Durch das Ausdrucken und Kopieren habe sie weitere Pflichtverstöße begangen. Ob das Lesen alleine schon einen wichtigen Grund dargestellt hätte, kann dahingestellt bleiben. Durch das Ausdrucken und Kopieren habe die Klägerin ihre Berechtigung erheblich überschritten. Von einem Versehen könne vorliegend nicht mehr gesprochen werden.
Mögliche Rechtfertigung
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nachkommen und Beweise für das damals noch anhängige Ermittlungsverfahren habe sichern wollen. Allerdings hatte die Klägerin nicht vorgetragen, was sie zu der Annahme bewegte, die E-Mails würden ansonsten von den anderen Beteiligten gelöscht werden.
Durch die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten an eine außenstehende Dritte habe die Klägerin den Pflichtverstoß noch vertieft. Zwar sei die Dritte eine Art Vertrauensperson für die Asylsuchende gewesen. Allerdings hatte sie keine offizielle Funktion in der Gemeinde. Die Klägerin habe die „Beweise“ nicht direkt an die Staatsanwaltschaft oder Polizei übergeben (diese ist erst später geschehen). Vielmehr hat sie einen privaten Chatverlauf an eine dritte Person weitergegeben und dadurch nicht nur das Persönlichkeitsrecht des Pfarrers, sondern auch der Asylsuchenden erheblich verletzt.
Die Weitergabe habe nicht der Beweissicherung gedient. Der Einwurf bei der Dritten sei anonym und ohne „Instruktionen“ erfolgt. Es sei völlig offen gewesen, was die dritte Person mit den Daten machen würde. Theoretisch hätte sie die Daten auch an die Presse oder weitere Dritte geben können. Durch die Weitergabe der Daten habe die Klägerin die Kontrolle über die Daten vollkommen aus der Hand gegeben.
Fazit
Ob die Klägerin mit hehren Absichten gehandelt hat oder nicht, wird sich nie feststellen lassen, auch wenn das Gericht hieran durchaus Zweifel hatte. Zumindest hat die Klägerin die falsche Vorgehensweise gewählt und hätte sich primär an andere Stellen wenden müssen, z.B. die Ermittlungsbehörden.