Update Arbeitsrecht Juli 2024
Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei Überschreitung der Höchstüberlassungsgrenze aus § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG
LAG Düsseldorf, Urteil v. 09.04.2024 – 14 Sa 1133/23
Arbeitgeber greifen im Falle von Arbeitsspitzen gern auf Leiharbeitnehmer zurück, um einen kurzfristigen Personalbedarf auszugleichen. Hierbei kann es dazu kommen, dass auch längere Arbeitsphasen mit Leiharbeitnehmern überbrückt werden müssen. Wenn die Einsatzzeiten nicht konkret überwacht werden, besteht das Risiko, dass die zulässige Höchstüberlassungsdauer überschritten wird. Dies kann zu erheblichen Konsequenzen für einen Arbeitgeber führen. Das LAG Düsseldorf hatte sich jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Überlassungshöchstdauer bei dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers tatsächlich überschritten worden ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Frage, ob zwischen ihnen aufgrund Überschreitung der Höchstüberlassungsgrenze aus § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Der Kläger ist seit dem 30.08.2021 bei einem Zeitarbeitsunternehmen als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Er hat den Beruf des Elektrikers erlernt. Das Zeitarbeitsunternehmen setzte den Kläger durchgängig vom 30.08.2021 bis 10.05.2023 bei der beklagten Arbeitgeberin (Entleiher) ein. Diese ist ein Unternehmen der Elektrobranche und Mitglied im Arbeitgeberverband. Die Beklagte fällt damit in den Geltungsbereich eines Manteltarifvertrags. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis dadurch fingiert worden, dass die Beklagte ihn über die gesetzlich vorgesehene Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten hinaus eingesetzt habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG zustande gekommen, weil die zulässige Höchstüberlassungsdauer nicht überschritten worden sei. Vielmehr sehe der anwendbare Tarifvertrag eine abweichende Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vor.
Entscheidung
Die vom Kläger eingelegte Berufung ist unbegründet. Infolge der Überlassung des Klägers zur Arbeitsleistung an die Beklagte für die Dauer von gut 20 Monaten sei kein Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 b, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert worden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG grundsätzlich unwirksam. Tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Nach § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen.
Zwar überschreite die gut 20-monatige Überlassung des Klägers an die Beklagte die in § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG festgelegte gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. Diese sei aber nach § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG in Verbindung mit dem anwendbaren Manteltarifvertrag wirksam auf 36 Monate verlängert worden. Diese Dauer von 36 Monaten sei indes nicht überschritten worden.
Das LAG Düsseldorf stellte sodann weiter fest, dass nach § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG in einem Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer wirksam festgelegt werden konnte. Dies sei vorliegend auch erfolgt. Die dort festgelegte Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten sei gerade nicht überschritten worden. Demzufolge liegt nach der Feststellung des LAG Düsseldorf kein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz durch die Beklagte vor.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten beim Einsatz von Leiharbeitnehmern stets darauf achten, dass die konkreten Einsatzzeiten überwacht werden. Gleichzeitig sollten Arbeitgeber genau prüfen, welche Höchstüberlassungsdauer für sie gelten. Hierbei ist insbesondere – wie der vorliegende Fall zeigt – zu prüfen, ob ggf. branchenspezifische tarifvertragliche Abweichungen vorliegen, von denen ein Arbeitgeber Gebrauch machen kann.
Sollten Arbeitgeber die Einsatzzeiten nicht konkret überwachen, gehen sie erhebliche Risiken ein, insbesondere könnte dann ein Arbeitsverhältnis mit dem entliehenen Arbeitnehmer begründet werden, wie der vorliegende Fall zeigt.