29.05.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2024

Bemessung des Schadensersatzes für die Nichtbeschäftigung von Profisportlern

BAG, Urteil vom 29.02.2024 – 8 AZR 359/22

Im professionellen Mannschaftssport kann es dazu kommen, dass ein Club die Entscheidung trifft, einen Spieler nicht mehr einsetzen zu wollen. Dies kann auf unterschiedlichen Gründen beruhen. Hierbei stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein Spieler einen Anspruch auf Teilnahme am Spiel hat. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Frage jüngst auseinandergesetzt und eine klarstellende Entscheidung getroffen, dass kein Anspruch auf Spieleinsatz für einen Spieler besteht.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichtbeschäftigung des Klägers als Eishockeyspieler. Der Kläger war seit der Saison 2017/2018 bei der Beklagten als Eishockeyprofi in der DEL 2 zuletzt auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 26.02.2019 beschäftigt. Der Kläger war Kapitän der Mannschaft und in der Spielsaison 2019/2020, die auf Grund der Corona-Pandemie am 10.03.2020 abgebrochen wurde, einer ihrer Topscorer. Mit Schreiben vom 03.06.2020 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot an und erhob eine Änderungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Die Beklagte stellte den Kläger sodann mit Schreiben vom 17.09.2020 von dem am 21.09.2020 beginnenden Mannschaftstraining frei. Die Saison in der DEL 2 begann am 06.11.2020. Der Kläger erstritt in der Zwischenzeit die Zulassung zum Trainingsbetrieb, längstens bis zum 31.03.2021. Nach der Verkündigung des erstinstanzlichen Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren am 05.11.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06.11.2020 außerordentlich fristlos. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers war erfolgreich. Der Kläger machte ferner einen Schadensersatzanspruch geltend. Er war der Meinung, dass ihm durch die unterbliebene Beschäftigung ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger in der ersten Instanz einen Schadensersatz in Höhe von € 12.742,26 zugesprochen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Der Kläger forderte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von € 38.226,78. Der Kläger legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt hat, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag zu beschäftigen. Im Arbeitsverhältnis bestehe grundsätzlich ein von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelter Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung und damit korrespondierend eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage hierfür sei §§ 611 a Abs. 1 Satz 1, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Die Beklagte habe den Beschäftigungsanspruch des Klägers verletzt, indem sie ihn vom Mannschaftstraining suspendiert hat.

Der Beschäftigungsanspruch eines Profisportlers in seiner Mannschaftssportart umfasse insbesondere die Teilnahme am Mannschaftstraining. Die unterbliebene Beschäftigung des Klägers durch den Ausschluss vom Mannschaftstraining und die anschließende außerordentliche fristlose Kündigung stelle eine Maßregelung im Sinne von § 612 a BGB dar. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte habe die Verletzung ihrer Pflicht aus dem Schuldverhältnis, den Kläger entsprechend seines Arbeitsvertrages zu beschäftigen, im Sinne von §§ 276, 280 BGB zu vertreten.

Der Kläger habe jedoch trotz der schuldhaften Verletzung der Beschäftigungspflicht keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gegen die Beklagte. Der Kläger habe schon nicht ausreichend dargelegt, dass ihm in Folge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein Schaden im Sinne von §§ 249 ff. BGB entstanden ist. Der Kläger könne sich insbesondere nicht auf die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Rechtsprechung zu Bühnenkünstlern berufen. Danach stehe Bühnenkünstlern für eine Spielzeit, während derer die Künstler nicht beschäftigt wurden, ein Schadensbetrag von bis zu sechs Monatsgagen zu. Allerdings bestünden zwischen Bühnenkünstlern und Profimannschaftssportlern Unterschiede, die einer Übertragung der auf den Bühnenkünstler zugeschnittenen Rechtsprechung entgegenstehen. Insbesondere hätten Profimannschaftssportler – im Unterschied zu Bühnenkünstlern – regelmäßig gerade keinen Anspruch darauf, öffentlich aufzutreten. Mannschaftsangehörige Berufssportler hätten in der Regel kein Recht auf einen Spieleinsatz. Vielmehr entscheiden eine Vielzahl von Umständen, und zwar von Spiel zu Spiel neu, darüber, ob sie vom Trainer im Spielbetrieb eingesetzt werden. Dabei könnten neben dem individuellen Leistungsvermögen des Spielers oder anderer Spieler auch andere Umstände wie etwa die Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft und das Verhalten des Spielers oder mannschaftstaktische Erwägungen von Bedeutung sein. Mannschaftsangehörige Berufssportler könnten somit im Unterschied zu Bühnenkünstlern von vornherein nicht darauf vertrauen, auf Grund ihres Arbeitsvertrags öffentlich auftreten zu können. Der Kläger habe ansonsten keine greifbaren Anknüpfungstatsachen, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO ermöglichen, vorgetragen. Folglich stehe ihm dann auch kein weitergehender Schadensersatzanspruch zu.

Praxistipp

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass Mannschaftssportler grundsätzlich keinen Anspruch auf Spieleinsatz haben. Vielmehr hat der Club hier die Entscheidungshoheit. Problematisch ist es jedoch für Clubs, wenn sie Spieler dauerhaft vom Mannschaftstraining ausschließen sollten. Dann besteht die Gefahr, dass ein Schadensersatzanspruch des Spielers begründet ist. Clubs müssen sich daher in den Vorwegen hinreichend Gedanken machen, ob und inwieweit ein Spieler vom Mannschaftstraining ausgeschlossen und beispielsweise dem Mannschaftstraining der zweiten Mannschaft zugeteilt werden kann.

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