28.11.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2023

Beweislast des Arbeitgebers wegen Verstoß gegen Arbeitspflicht im Home-Office

LAG Mecklenburg-Vorpommern 28.09.2023 (Az.: 5 Sa 15/23)

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Urteil vom 28.09.2023 (Az.: 5 Sa 15/23) klargestellt, dass den Arbeitgeber die Beweislast für den Fall trifft, dass dieser dem Arbeitnehmer vorwirft im Home-Office nicht gearbeitet zu haben und hierfür die gezahlte Vergütung zurückfordert.

Klägerin arbeitet zu großen Teilen im Home-Office

Der Klägerin, angestellt als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft der Beklagten, war es gestattet im Home-Office zu arbeiten. So arbeitete sie beispielsweise im Januar 2022 von insgesamt 166:15 Stunden 116:15 Stunden im Home-Office. Von insgesamt 167:45 Stunden entfielen im Februar 60:15 Stunden auf das Home-Office. Die Zeiterfassung für den Monat März weist 16:30 Stunden im Home-Office bei insgesamt 188:45 Stunden aus.

Insbesondere hatte die Arbeitnehmerin die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten. Ab Ende März 2022 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis wurde ordentlich innerhalb der Probezeit zum 31.05.2022 gekündigt.

Arbeitgeberin forderte Gehalt zurück

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrte die Klägerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin die Zahlung ausstehender Vergütung für die Monate April und Mai 2022 sowie die Abgeltung ausstehenden Urlaubes. Die Arbeitgeberin begehrte widerklagend die Rückzahlung des gezahlten Arbeitsentgeltes für 300,75 Stunden, also insgesamt 7.112,78 €.

Die Arbeitgeberin behauptete hierzu die Klägerin habe Arbeitszeiten im Home-Office in Höhe von 300,75 Stunden angegeben, ohne irgendeinen objektivierbaren Arbeitsnachweis hierfür vorzulegen. Daher müsse sie davon ausgehen, dass die Klägerin in den angegebenen Bürostunden keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe.

Klägerin hat Arbeitsleistung durch Arbeitsergebnisse dokumentiert

Die Klägerin hatte der Arbeitgeberin zwar keine komplette Fassung des überarbeiteten Qualitätshandbuches übersandt. Allerdings hatte sie, je nach Bearbeitungsstand, immer wieder verschiedene Word-Dokumente hierzu erstellt und an die Arbeitgeberin übersandt.

LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt Anspruch auf Vergütung

Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigte, dass der Klägerin ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Monate April und Mai 2022 sowie die ausstehende Urlaubsabgeltung habe.

Insbesondere habe Sie die Vergütung für die 300,75 Stunden im Home-Office nicht ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erhalten. Somit stehe der Arbeitgeberin auch kein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der gezahlten Vergütung zu.

Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“

Das LAG nimmt hierbei Bezug auf die ständige Rechtsprechung und den geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Die Erbringung der Arbeitsleistung sei eine Fixschuld, die an feste Zeiten, also an bestimmte Tage und Stunden gebunden ist und grundsätzlich nicht nachgeholt werden könne. Daher liege, wenn der Arbeitnehmende die Arbeitsleistung zum geschuldeten Zeitpunkt nicht erbringt, ein Fall der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vor.

Diese Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt in ständiger Rechtsprechung dazu, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Vergütung gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfällt.

Etwas anderes gilt lediglich für den Fall, dass Arbeitnehmende aus einer anderen rechtlichen Grundlage einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung trotz nicht erbrachter Arbeitsleistung haben. Ein solcher Anspruch folgt beispielsweise aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz für die Fortzahlung des Entgeltes an Feiertagen und im Krankheitsfall, dem Bundesurlaubsgesetz, Freistellungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Grundsätzen des Annahmeverzuges.

Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern sieht die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang Arbeitnehmende ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben, beim Arbeitgeber.

Auf einen entsprechenden Vortrag des Arbeitgebers hätten Arbeitnehmende substantiiert zu erwidern, den Vortrag des Arbeitgebers also zu entkräften. Dies gelte auch im Home-Office.

Im vorliegenden Fall hätte die beklagte Arbeitgeberin nicht dargelegt ob und in welchem Umfang die Klägerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt habe. Sie habe weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden, noch in geringerem Umfang belegt. Vorliegend ließen insbesondere die während dieser Zeiten durch die Klägerin versandten E-Mails und Dokumente einen Rückschluss auf die Arbeitsleistung zu.

Dass die Klägerin die Arbeiten nicht in der gewünschten Zeit oder dem gewünschten Umfang erledigt hat, sei für den Vergütungsanspruch ohne Bedeutung. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung genügen Arbeitnehmende ihrer Leistungspflicht, wenn sie unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Arbeitspflicht arbeiteten.

Folgen für die Praxis

Grundsätzlich ist es Sache der Arbeitnehmenden die Voraussetzungen ihres Vergütungsanspruches dazulegen und zu beweisen. Dies gilt nach der obergerichtlichen Arbeitsrechtsprechung jedoch nicht, wenn Arbeitgeber die Vergütung kürzen oder zurückfordern (vgl. auch Thüringer LAG, Urt. v. 17. Februar 2009 – 1 Sa 239/08; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13. Februar 2007 – 3 Sa 319/06; LAG Köln, Urt. v. 30. April 2003 – 3 Sa 756/02; LAG Köln, Urt. v. 12.10.2001 – 9 Sa 156/11).

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stellt nunmehr klar, dass diese Beweislastverteilung auch im Falle der Arbeit im Home-Office gilt. Vor dem Hintergrund des Schutzes der Privatsphäre im Zusammenhang mit der Wohnung von Arbeitnehmenden stellt dies Arbeitgeber vor erhebliche Beweisprobleme.

Für Arbeitgeber drängt sich in Fällen keiner oder nur weniger Arbeitsergebnisse im Home-Office regelmäßig der Verdacht des Arbeitszeitbetruges auf. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stellt jedoch klar, dass der Nachweis des Arbeitszeitbetruges insbesondere dann kaum zu erbringen ist, wenn Arbeitnehmende vermeintlich quantitativ minderwertige Arbeitsergebnisse hervorbringen, durch diese aber gleichzeitig gewisse Tätigkeiten dokumentiert werden

In solchen Fällen liegt ein Fall der Low-Performance vor, dem jedoch nicht mit der einseitigen Kürzung oder Zurückforderung von Arbeitsentgelt begegnet werden kann. In einem solchen Fall sind vielmehr die langfristige Dokumentation der Arbeitsergebnisse und die Abmahnung des Verhaltens zur Begründung einer entsprechenden personen- oder verhaltensbedingten Kündigung angezeigt.

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