Update Arbeitsrecht Januar 2021
Corona-Test im Arbeitsverhältnis
Stellen Sie sich vor, Sie weisen einen Arbeitnehmer an, sich auf eine Infektion mit dem Covid-19-Virus testen zu lassen. Der Arbeitnehmer verweigert den Test unter Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, einen solchen Test anzuweisen. Im Übrigen sei er gegen Covid-19 geimpft. Wie stellt sich die Rechtslage dar?
1. Unter welchen Voraussetzungen darf der Arbeitgeber die Durchführung von Corona-Tests anordnen?
Ob die Weisung, einen Corona-Test durchzuführen, wirksam ist, bestimmt sich nach § 106 Gewerbeordnung (GewO). Danach kann der Arbeitgeber die Art der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die Interessen des Arbeitgebers (z.B. Schutz der Belegschaft und Dritter, Verhinderung einer behördlichen Betriebsschließung) gegen die Interessen des Arbeitnehmers (allgemeines Persönlichkeitsrecht) abgewogen werden.
a) anlassloser Corona-Test
Eine anlasslose Anweisung zur Durchführung eines Corona-Tests entspricht i.d.R. nicht den Grundsätzen billigen Ermessens (Überwiegen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers).
Etwas Anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit Kontakt zu Dritten hat und die Dritten vor einer Infektion zu schützen sind.
Insoweit sind die Infektionsschutzverordnungen der einzelnen Bundesländer zu beachten. Sie verpflichten Arbeitgeber, bestimmte Berufsgruppen (z.B. in der Pflege) regelmäßigen Corona-Tests zu unterziehen. Dabei bedarf es einer Prüfung der jeweils einschlägigen Verordnung, da diese in den Bundesländern durchaus voneinander abweichen, vgl. z.B. § 9 Abs. 3 BayIfSMV v. 15.12.20, § 5 Abs. 3 CoronaSchVO NRW v. 07.01.2021, §§ 1b, 1c, Corona-EinrichtungsSchVO Hessen v. 26.11.20. In diesen Fällen ist auch die anlasslose Weisung zur Durchführung eines Corona-Tests durch den Arbeitgeber wirksam.
b) Corona-Test bei Erkältungssymptomen
Weist ein Arbeitnehmer typische Symptome für eine Ansteckung mit dem Covid-19-Virus auf, wie Husten, Fieber, Schnupfen, Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns, Halsschmerzen (vgl. Seite des RKI), kommt die Anordnung eines Corona-Tests jedenfalls dann in Frage, wenn eine Tätigkeit im Homeoffice ausscheidet und eine Gefährdung von Kollegen oder z.B. Kunden besteht. In diesem Fall muss der verhältnismäßig geringfügige Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch einen zwar unangenehmen, aber nur wenige Sekunden dauernden Test hinter die Interessen des Arbeitgebers am Schutz Dritter zurücktreten.
2. Darf der Arbeitnehmer einen Test nach erfolgter Impfung gegen den Covid-19-Virus verweigern?
Es gibt bisher keine gesicherte Erkenntnis, dass geimpfte Personen das Covid-19-Virus nicht mehr auf nicht geimpfte Personen übertragen können (vgl. Seite des RKI). Solange das so ist, können geimpfte Arbeitnehmer eine wirksame Anordnung des Arbeitgebers zur Durchführung eines Corona-Tests nicht mit dem Hinweis auf die erfolgte Impfung verweigern.
3. Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vergüten, der sich weigert, einer wirksamen Testanordnung nachzukommen?
Nein, eine Vergütungspflicht besteht nicht, wenn es ohne Corona-Test keine Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt.
Der ungetestete Arbeitnehmer bietet in diesem Fall keine vertraglich geschuldete Leistung an, was dazu führt, dass der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug gerät (§ 615 BGB) und nicht verpflichtet ist, die ausgefallene Arbeitszeit zu vergüten.
4. Kommt der Ausspruch einer Abmahnung/Kündigung in Betracht?
Liegt eine berechtigte Anordnung des Arbeitgebers vor, einen Corona-Test durchzuführen, verstößt der Arbeitnehmer mit der Weigerung gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Diesen Verstoß kann der Arbeitgeber grundsätzlich abmahnen und bei nachhaltiger Weigerung das Arbeitsverhältnis kündigen. Dabei ist der jeweilige Einzelfall zu berücksichtigen. Voraussetzung ist stets, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Corona-Test nicht einsetzen kann. Zu denken ist dabei z.B. an Arbeitnehmer, die in der Pflege und damit mit engem körperlichen Kontakt zu Dritten arbeiten.
4. Ist der Betriebsrat zu beteiligen?
Bevor der Arbeitgeber die Durchführung von Corona-Tests anordnet, muss er den Betriebsrat beteiligen, da seine Mitbestimmungsrechte tangiert sind (u.a. Gesundheitsschutz gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).