Update Compliance 22 /2022
Die Risikoanalyse nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Die erste Handreichung des BAFA
Am 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für Unternehmen mit mehr als 3.000 ArbeitnehmerInnen in Deutschland in Kraft. (Noch) rechtzeitig vor diesem Stichtag hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) am 17. August 2022 die erste Handreichung zur Umsetzung einer Risikoanalyse nach den Vorgaben des LkSG veröffentlicht. Die Handreichung soll den betroffenen Unternehmen Hilfestellungen und praktische Tipps für die Umsetzung der Risikoanalyse geben.
Die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG
Das LkSG verpflichtet eine Vielzahl von Unternehmen ab dem 1. Januar 2023, ihrer Verantwortung für die Wahrung von Menschenrechten und den Umweltschutz nachzukommen. Unternehmen haben dann dafür Sorge zu tragen, dass Menschenrechtsverletzungen und umweltbezogene Risiken in der eigenen Lieferkette frühzeitig erkannt und vermieden bzw. beendet werden. Hierzu sieht das LkSG in § 3 einen umfangreichen Katalog verschiedener Maßnahmen bzw. Verfahrensschritte vor - die sog. unternehmerischen Sorgfaltspflichten -, die von den betroffenen Unternehmen umzusetzen sind. Herzstück der Sorgfaltspflichten ist die Risikoanalyse.
Die Risikoanalyse als zentrales Element der Sorgfaltspflichten
Mithilfe der Risikoanalyse sollen Unternehmen die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken für den eigenen Geschäftsbereich und den Geschäftsbereich ihrer unmittelbaren Zulieferer identifizieren, bewerten und priorisieren. Die Ergebnisse der Risikoanalyse sind intern an die maßgeblichen Entscheidungsträger im Unternehmen zu kommunizieren und müssen in der weiteren Geschäftstätigkeit angemessen berücksichtigt werden. Die hohe Relevanz der Risikoanalyse liegt dabei vor allem darin, dass deren Ergebnisse die Grundlage liefern, um wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen festzulegen. So kann z.B. die Grundsatzerklärung nur abgegeben werden, wenn zuvor eine Risikoanalyse durchgeführt wurde. Die insoweit maßgeblichen Regelungen in § 5 LkSG sowie die Gesetzesbegründung enthalten jedoch nur abstrakte Vorgaben zur Durchführung der Risikoanalyse.
Hilfestellung der BAFA zur Durchführung der Risikoanalyse
Das BAFA hat die Aufgabe, als Aufsichtsbehörde (und Bußgeldbehörde) die Umsetzung der unternehmerischen Pflichten des LkSG zu kontrollieren. Ferner soll das BAFA gemäß § 20 LkSG in sog. Handreichungen „branchenübergreifende oder branchenspezifische Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen“ zur Einhaltung des LkSG veröffentlichen. In der nun vorgelegten Handreichung werden die wesentlichen Anforderungen des LkSG an die Risikoanalyse zusammengefasst und praktische Umsetzungsmöglichkeiten für die betroffenen Unternehmen aufgezeigt. Bemerkenswert ist, dass das BAFA mehrfach betont, dass den betroffenen Unternehmen ein Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung und Methodenauswahl der Risikoanalyse zusteht und ihre Umsetzung aufgrund erschöpflicher Ressourcen bei den Unternehmen auch unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht.
Das BAFA gibt in der Handreichung insbesondere Hinweise zu:
- den Querbezügen zwischen Risikoanalyse und den weiteren Elementen der Sorgfaltspflichten und -prozesse;
- dem Verhältnis der regelmäßigen (jährlichen) Risikoanalyse zu den anlassbezogenen Risikoanalysen;
- den Umsetzungsschritten der Risikoanalyse, von der Vorbereitung über ihre Durchführung bis zur Bewertung der Ergebnisse, jeweils bezogen auf die regelmäßige und die anlassbezogen Risikoanalysen; dabei empfiehlt das BAFA anhand einer Reihe von Tabellen mit Beispielsfällen stets, von einer abstrakten Risikobetrachtung zu einer konkreten, die Verhältnisse des jeweiligen Unternehmens betreffenden Risikobetrachtung überzugehen;
- zur Priorisierung ermittelter Risiken anhand der Angemessenheitskriterien des LkSG;
- der Relevanz der Ergebnisse der Risikoanalyse für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen.
Hilfreich sind auch der Kriterienkatalog zur Angemessenheitsprüfung und die Datensammlung mit weiteren Umsetzungshilfen.
Bewertung der Empfehlungen
Die vorgelegte Handreichung des BAFA verdeutlicht nochmals anschaulich die herausragende Stellung und Bedeutung der Risikoanalyse innerhalb des Sorgfaltspflichtenkanon nach dem LkSG und gibt hilfreiche Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung der regelmäßigen und anlassbezogenen Risikoanalyse. Überraschend ist allerdings die Darstellung, dass in eine anlassbezogene Risikoanalyse aufgrund einer Veränderung der Geschäftstätigkeit auch mittelbare Zulieferer einbezogen werden müssten. Aus dem LkSG und der Gesetzesbegründung ergibt sich dies so ohne Weiteres nicht. Vielmehr erklärt § 5 Absatz 1, 4 LkSG nur den eigenen Geschäftsbereich sowie unmittelbare Zulieferer eines Unternehmens zum Gegenstand seiner regelmäßigen bzw. anlassbezogenen Risikoanalyse. In Bezug auf mittelbare Zulieferer hingegen ist eine Risikoanalyse nur im Falle substantiierter Kenntnis von einer Sorgfaltspflichtverletzung durchzuführen, § 9 Abs. 3 Nr. 1 LkSG. Ob das BAFA an seiner Auffassung festhält, bleibt abzuwarten.
Praxishinweise
Zwar handelt es sich bei der vorgelegten Handreichung des BAFA lediglich um rechtlich nicht verbindliche Leitlinien, die in erster Linie die Rechtsauffassung jener Behörde wiedergeben. Da das BAFA jedoch die zuständige Aufsichtsbehörde nach dem LkSG ist, sollten die darin enthaltenen Hinweise von betroffenen Unternehmen sorgfältig evaluiert und - soweit einschlägig – bei der Umsetzung ihrer Risikoanalysen zumindest berücksichtigt werden. Sollte aufgrund einer Veränderung der Geschäftstätigkeit eine anlassbezogene Risikoanalyse erforderlich werden, dürfte entsprechend der gesetzlichen Regelung (aber abweichend von der gegenwärtigen Auffassung des BAFA) eine Einbeziehung der mittelbaren Zulieferer des Unternehmens nicht erforderlich sein (anders im Falle substantiierter Kenntnis).
Demgegenüber verlangen größere Unternehmen zunehmend von ihren Vertragspartnern (insbesondere Zulieferern) die vertragliche Zusicherung, dass jene bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten beachten. Auch vermeintlich „kleinere“ Unternehmen werden dadurch faktisch verpflichtet, die Sorgfaltspflichten des LkSG umzusetzen. Daher sollten sich auch Unternehmen außerhalb des (direkten) Anwendungsbereichs des LkSG mit den neuen Sorgfaltspflichten vertraut machen und eine Implementierung proaktiv erwägen (und sofern angezeigt vornehmen).
Nach Auskunft des BAFA werden weitere Handreichungen folgen. Kürzlich veröffentlicht wurde ein strukturierter Fragebogen für die Erstellung des Jahresberichts. Folgen soll auch eine Handreichung zum Beschwerdeverfahren.