01.03.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht März 2014

Ein Streikaufruf darf nicht über den dienstlichen E-Mail-Account verbreitet werden

BAG, Beschluss vom 15.10.2013, 1 ABR 31/12

Arbeitnehmer sind nicht berechtigt, Sachmittel des Arbeitgebers für die Verbreitung eines Streikaufrufs der Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen.

Die Arbeitgeberin betrieb ein Krankenhaus mit ca. 900 Mitarbeitern. Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer war Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Ihm wurde von seiner Arbeitgeberin ein betrieblicher E-Mail- Account zur Verfügung gestellt, den er sowohl zu dienstlichen Zwecken als auch für seine Betriebsratstätigkeit nutzte (vorname. nachname@arbeitgeber.de). Der Arbeitnehmer leitete über diesen Account an alle Beschäftigten einen Streikaufruf von ver.di weiter und forderte sie auf, sich an dem Warnstreik zu beteiligen. Er unterzeichnete die E-Mail mit seinem Namen und den Worten: „Für die ver.di-Betriebsgruppe“. In der Signatur der E-Mail war die Telefonnummer des Betriebsratsbüros angegeben. Die Arbeitgeberin übersandte dem Betriebsratsvorsitzenden daraufhin ein Schreiben, in dem die Nutzung des betrieblichen E-Mail-Accounts und die Angabe der Durchwahl des Betriebsratstelefons moniert wurde. Im Rahmen eines sich hieran anschließenden gerichtlichen Verfahrens verlangte sie von dem Betriebsrat, es künftig zu unterlassen, die betrieblichen Sachmittel für den Aufruf und die Durchführung eines Streiks zu nutzen.

Eigentum als Abwehrrecht

Das Bundesarbeitsgericht gab, wie auch schon die Vorinstanzen, dem Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin im Wesentlichen statt. Die Begründung der Gerichte unterscheiden sich allerdings voneinander. Während die Vorinstanzen davon ausgingen, dass das Betriebsratsmitglied aufgrund der in § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG normierten Neutralitätspflicht nicht dazu berechtigt ist, Sachmittel des Arbeitgebers für Arbeitskampfmaßnahmen zu nutzen, stellte das Bundesarbeitsgericht auf den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ab. Hiernach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen.

Keine Duldungspflicht des Arbeitgebers

Nach Ansicht des Ersten Senats ist die Arbeitgeberin als Eigentümerin der betrieblichen Sachmittel dabei nicht dazu verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet zu dulden. Das Grundrecht auf gewerkschaftliche Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG wird durch den Unterlassungsanspruch nicht unzulässig eingeschränkt. Der Senat wies darauf hin, dass Arbeitnehmer ihr Recht, die Belegschaft zur Teilnahme an einem Streik zu mobilisieren, in vielfältiger Weise wahrnehmen können. Die Nutzung der elektronischen Kommunikationsmittel des Arbeitgebers ist nur eine – wenn auch sehr effektive – Möglichkeit hierfür. Gewerkschaftsangehörige Mitarbeiter sind daher bei ihrer gewerkschaftlichen Betätigung nicht zwingend auf die betriebliche IT-Struktur angewiesen. Zwar können Streikaufrufe auf diese Weise schneller und zielgerichteter verbreitet werden, doch ist es nicht die Pflicht des Arbeitgebers, hieran durch Bereitstellung eigener Betriebsmittel mitzuwirken.

Das Bundesarbeitsgericht stellte in diesem Zusammenhang klar, dass es nicht darauf ankommt, ob der Streikaufruf von einem Betriebsratsmitglied oder von einem „normalen“ Arbeitnehmer über das Intranet des Unternehmens verbreitet wird. Von einem Arbeitgeber könne generell nicht verlangt werden, die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen ihn gerichteten Arbeitskampf durch eigene Betriebsmittel zu unterstützen.

Fazit

Arbeitgeber müssen nicht hinnehmen, dass betriebliche Sachmittel für Arbeitskampfmaßnahmen genutzt werden. Dies gilt insbesondere für den dienstlichen E-Mail-Account und das Intranet des Unternehmens. Im Falle eines Verstoßes kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Unterlassung verlangen und diesen Anspruch auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzen.

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