Update Arbeitsrecht September 2023
Fitnesstrainer in Fitnessstudios sind regelmäßig abhängig Beschäftigte
LSG Bayern, Beschluss vom 18.08.2023 – L 7 BA 72/23 B ER
Bei dem Einsatz von freien Mitarbeitern stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob nicht tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Arbeitgeber müssen deshalb stets sorgfältig prüfen, ob und inwieweit ein freier Mitarbeiter in die betrieblichen Abläufe eingebunden ist, wodurch das Risiko einer Scheinselbstständigkeit begründet wird. Das LSG Bayern musste sich jüngst mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit Fitnesstrainer in einem Fitnessstudio abhängig Beschäftigte sind.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin eines Fitnessstudios und bietet den Kunden Einzel- und Gruppentraining sowie Fitnesskurse an. Sie setzt hierbei unterschiedliche Trainer ein. Hierbei handelte es sich um sogenannte „freie Mitarbeiter“, die entsprechende Kurse in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin durchführten. Sämtliche freie Mitarbeiter stellten der Beschwerdeführerin Rechnungen nach vereinbarten Stunden- bzw. Minutensätzen.
Bei der Beschwerdeführerin fand im Jahr 2018 eine Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 statt. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass insgesamt 17 Personen als sogenannte freie Mitarbeiter tätig wurden. Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei den freien Mitarbeitern um abhängig Beschäftigte handelt, so dass eine entsprechende Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht. Es wurden deshalb Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschläge festgesetzt. Gegen diesen Beitragsbescheid legte die Beschwerdeführerin erfolglos Widerspruch ein.
Die Beschwerdeführerin erhob deshalb eine entsprechende Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid. Ferner beantragte die Beschwerdeführerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage, weil durch eine Vollstreckung des Beitragsbescheids eine Zahlungsunfähigkeit bei der Beschwerdeführerin drohte.
Das Sozialgericht München lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der Beitragsbescheid sei nach summarischer Prüfung weder offensichtlich rechtswidrig noch sei eine unbillige Härte glaubhaft gemacht worden. Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin beim LSG Bayern Beschwerde ein.
Entscheidung
Das LSG Bayern wies die Beschwerde zurück. Der streitige Bescheid sei nicht offensichtlich rechtswidrig, weil eine abhängige Beschäftigung bei den Trainern vorliege. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach stelle eine abhängige Beschäftigung die nicht-selbstständige Arbeit dar, die insbesondere in einem Arbeitsverhältnis angenommen werden könne. Anhaltspunkte für eine abhänge Beschäftigung seien eine Weisungsgebundenheit und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege.
Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, hänge davon ab, welche Merkmale bei der ausgeübten Tätigkeit überwiegen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der erbrachten Leistungen. Dies bestimme sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine werdende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.
Das LSG Bayern kommt anhand dieser rechtlichen Grundsätze zu dem Ergebnis, dass eine betriebliche Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beschwerdeführerin bei den Trainern vorliege. Alle Betroffenen seien im Rahmen der von der Beschwerdeführerin vorgegebenen Arbeitsorganisation tätig geworden. Wesentliche unternehmerische Gestaltungsspielräume seien nicht verblieben. Im Wesentlichen hätten die Betroffenen ihre Arbeitskraft zu einem fest vereinbarten Stunden- bzw. Minutensatz verwertet, wodurch kein Unternehmensrisiko bestanden habe. Die Trainer hätten faktisch keine unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten gehabt, ob und wo sie den Kurs anbieten. Dies gelte umso mehr, als sie auch über keine eigenen alternativen Räumlichkeiten verfügt haben. Im Übrigen sei die bloße abstrakte Möglichkeit, den Kurs woanders stattfinden zu lassen, nicht prägend für das Auftragsverhältnis und fällt somit nicht entscheidend ins Gewicht bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das LSG Bayern von einer abhängigen Beschäftigung bei den Trainern ausgegangen.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten bei der Beschäftigung von freien Mitarbeitern stets darauf achten, dass in der Umsetzung des Vertragsverhältnisses keine Eingliederung der freien Mitarbeiter in die Betriebsorganisation erfolgt. Denn im Falle einer Betriebsprüfung werden nicht allein die zugrunde liegenden Verträge angesehen. Vielmehr werden auch die tatsächlichen Verhältnisse geprüft. In der Praxis kommt es daher darauf an, ob der freie Mitarbeitervertrag entsprechend umgesetzt wird oder nicht doch in tatsächlicher Hinsicht eine weisungsgebundene Eingliederung des freien Mitarbeiters in die Betriebsorganisation erfolgt.
Maßgebliche Abgrenzungskriterien sind vor allem die Entscheidung darüber, wann, wie und wo gearbeitet wird. Diese Entscheidung sollte beim freien Mitarbeiter verbleiben. Anderenfalls setzt man sich dem Risiko aus, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung eine andere Feststellung getroffen wird. Dies hätte dann – wie der vorliegende Fall zeigt – zur Folge, dass Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschläge vom Arbeitgeber nachzuentrichten sind. Werden Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert, gilt dafür eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Sie beginnt nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Es gilt zudem eine längere Verjährungsfrist, wenn Beiträge vorsätzlich nicht gezahlt wurden. In diesem Fall gilt eine Verjährungsfrist von bis zu 30 Jahren.
Dementsprechend sollten Arbeitgeber, wenn sie freie Mitarbeiter einsetzen, sowohl beim Abschluss eines freien Mitarbeitervertrags als auch während der Durchführung des Vertragsverhältnisses stets darauf zu achten, dass keine betriebliche Eingliederung erfolgt.