Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Häufige Kurzerkrankungen als außerordentlicher Kündigungsgrund
BAG, Urteil vom 23.1.2014 – 2 AZR 582/13
Erkrankt ein Arbeitnehmer über Jahre hinweg immer wieder für kurze Zeiträume und belastet dadurch seinen Arbeitgeber mit Lohnfortzahlungskosten, so kann dem Arbeitnehmer grundsätzlich ordentlich gekündigt werden. Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelung jedoch ordentlich unkündbar, stellt sich die Frage, ob häufige Kurzerkrankungen auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dazu entschieden, dass häufige Kurzerkrankungen ausnahmsweise auch ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein können. Dies sei jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 1981 bei dem Beklagten beschäftigt und aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Die Klägerin war von 2000 bis 2011 wegen unterschiedlicher Erkrankungen durchschnittlich über 18 Wochen im Jahr arbeitsunfähig. In dem Zeitraum von Frühjahr 2010 bis Frühjahr 2012 war die Klägerin jährlich „nur“ noch durchschnittlich 11,75 Wochen krank. Am 28. März 2012 kündigte der Beklagte der Klägerin außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 30. September 2012. Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Hamburg und das Landesarbeitsgericht Hamburg gaben der Klägerin Recht. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidungen bestätigt.
Rechtliche Würdigung
Das BAG stellte zwar zu Gunsten des Arbeitgebers klar, dass häufige Kurzerkrankungen bzw. die darauf gestützte negative Prognose künftiger Erkrankungen grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen, welcher den Arbeitgeber ohne den Zeitdruck der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zur Kündigung berechtige. Da es sich bei den häufigen Kurzerkrankungen um einen sogenannten Dauerzustand handele, beginne die Zwei- Wochen-Frist nicht einmalig, sondern vielmehr fortlaufend neu.
Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung lag nach Ansicht des BAG in dem vorliegenden Fall jedoch nicht vor.
Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass der Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin nicht die Prognose rechtfertige, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen zehn Jahren. Die Klägerin sei in den letzten drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung „nur“ noch durchschnittlich 11,75 Wochen statt wie zuvor durchschnittlich 18 Wochen krank gewesen. Zudem sei die Klägerin vom 19. Dezember 2011 bis zum Zugang der Kündigung am 28. März 2012 nicht mehr krank gewesen, was ebenfalls für eine fallende Tendenz spreche.
Überdies sei erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelrecht „sinnentleert“ wird, d. h. der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhebliche Entgeltleistungen zu erbringen hätte, ohne dass dem nennenswerte Arbeitsleistungen gegenüberständen.
Dies sei nach Ansicht des BAG selbst bei einer jährlichen Fehlzeit von 18 Wochen nicht der Fall, da auch in diesem Fall der Arbeitnehmer noch zu fast zwei Dritteln seiner Jahresarbeitszeit arbeitsfähig sei und demnach sinnvoll eingesetzt werden könne.
Fazit
Die Entscheidung des BAG ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist. In diesen Fällen bleibt dem Arbeitgeber zur einseitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur das Mittel der außerordentlichen Kündigung. Das BAG stellt an eine außerordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen hohe Anforderungen, so dass eine außerordentliche Kündigung lediglich in Extremfällen in Betracht kommt. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis müsse „sinnentleert“ sein. Ferner ist der Entscheidung zu entnehmen, dass es sich bei häufigen Kurzerkrankungen um einen Dauerzustand handelt, bei dem die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch der Kündigung fortlaufend neu beginnt.